Altvordere Ideen?

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
soleil Avatar

Von

Roig veröffentlicht im Ullstein Verlag ihr neuestes Buch, das als Sachbuch zur Institution der Ehe angekündigt wurde. Über schwarze, gedruckte Buchstaben (die übliche Form) wurde mit rosafarbenem Stift per Hand das gleiche noch einmal geschrieben (die neue Form). Es sind allerdings immer noch die gleichen Buchstaben mit gleichem Inhalt. Von den feministischen Texten der heutigen Zeit erwarte ich zugegeben nicht mehr besonders viel und das, obwohl ich einst genau das (unter anderem Namen) studiert habe. Die Ideen, die von den meisten Autorinnen propagiert werden, sind nicht neu, sie sind älter als diese und ich zusammen. Aber eines fällt auf: Sie werden immer aggressiver. Ich frage mich oft, ob das mit der modernen Clickbaite-Mentalität zu tun hat - je reißerischer, desto mehr Aufmerksamkeit desto mehr lässt sich damit verdienen. Und im Grunde ist zum Thema auch alles gesagt, es scheint schwierig, neue Dinge dazu zu schreiben, es wäre sinnvoller, wenn die Frauen heute die Dinge, die jene vor ihnen errungen haben, ergreifen und mutig nutzen und ausbauen. Es scheint leichter, die alten Ideen neu aufzuwärmen und quasi zum Geschäft zu machen. Das ist leider auch bei dieser Autorin passiert, wenn man ihren Lebensweg genauer studiert."Gemeinnützig" heißt heute nämlich "gut bezahlt" und für das Buch wird der Verlag ihr ebenfalls nicht nur Peanuts überreichen. Schon das erste Zitat nach der Inhaltsangabe lässt Rückschlüsse darauf zu, mit welcher Art Buch wir es zu tun bekommen. Dieses Buch soll eine Revolution anstoßen und glaubt, die Kraft dazu zu haben. Dabei greift es thematisch laut Inhaltsangabe die alte aufgewärmte Brühe auf plus das neue Zahlkind "Geschlecht". Auf den wenigen Seiten, die man in der Leseprobe zu sehen bekommt, wird deutlich, dass wir in einem kompletten Patriarchat leben, weil es Männer gibt. Solange diese existieren, wird sich das wohl auch nicht ändern, so die Autorin. Darum müssen andere Institutionen "gebrochen" werden, Roig hat sich hier die Ehe ausgesucht und schreibt auch prompt, dass Frauen, die in einer solchen gefangen sind, unterdrückt werden, jedenfalls die meisten. Sie greift diesbezüglich in den ersten Seiten eigene Erfahrungen in einer heterosexuellen Ehe auf, in der sie wohl schlechte Erfahrungen gemacht hat. Leider sieht sie diese nicht als subjektive Erfahrung an. Sie zitiert verschiedene andere Autorinnen im "Genre", wobei es ihr bell hooks am meisten angetan zu haben scheint. Nur wie viel Sinn macht es an dieser Stelle, nur die Gleichgesinnten zu zitieren? Neue Argumente oder Argumentationsstrukturen lassen sich so nicht auffinden. Zudem fehlt mir persönlich auch eine Auseinandersetzung damit, wie die Ehe vermutlich einst entstanden ist bzw. sein könnte. Ich halte sie nämlich nicht von Anfang an für eine patriarchale Struktur, dazu hatten Frauen anfangs zu viele Vorteile davon. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Frauen in Gemeinschaften dafür sorgten, dass Paare zueinanderfanden und sei es vielleicht auch nur temporär gewesen. Die Ehe ist ein vollumfänglich durchdachtes und nützliches Konstrukt, wenn man es auf historische Weise betrachtet (und damit meine ich weit, weit, weit zurück in der Historie). Dass sie sich mit der Zeit gewandelt hat und inzwischen in vielen Ländern ad absurdum geführt wird, besonders wenn sie eben nicht die gleichberechtigte Partnerschaft mit gewisser Rollenzuweisung ist, wie ursprünglich angedacht, liegt auf der Hand. Aber wenn man von diesem Punkt ausgehen würde, wäre die Argumentationslinie schon wieder eine vollkommen andere.
Ich würde das Buch dennoch gern lesen. Zwar muss ich hier und da absetzen, weil ich wahlweise lachen oder mich ärgern musste, aber für eine intensive Auseinandersetzung wäre ich zu haben. Ich versuche, die moderne Art, sich dem Thema zu nähern, nämlich wirklich zu verstehen.