Claire DeWitt auf Talfahrt

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theresia626 Avatar

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Sara Grans Roman „Das Ende der Welt“ ist der zweite Band einer Serie von vier Romanen um die Privatdetektivin Claire DeWitt, die zusammenhängen und aufeinander Bezug nehmen, aber in sich abgeschlossene Geschichten erzählen. Zu Beginn des Romans, am 18. Januar 2011, ist Claire in Oakland, wo sie mit dem Roten Detektiv spricht. Er kann eine Veränderung riechen, und wie oft sie auch die Tarotkarten mischen, immer wieder kam der Tod heraus. Der Rote Detektiv ist kein Detektiv im herkömmlichen Sinne, er ist ein Silettianer.

Der Roman beinhaltet zwei Handlungsstränge. In dem einen, der in San Francisco spielt, geht es um Claire DeWitts ehemaligen milliardenschweren Liebhaber, den Musiker Paul Casablancas. Beide hatten sich bei einem Konzert kennengelernt, waren durch eine tiefe Liebe miteinander verbunden, trennten sich aber vor ein paar Jahren. Jetzt wird Paul in seiner Wohnung erschossen aufgefunden. Die Polizei glaubt an Raubmord, weil fünf seltene, alte, kostbare Gitarren fehlen. Wenige Tage nach dem Mord meldet sich Emily, Pauls Schwester, bei Claire. Sie will sie engagieren, um die Ehefrau ihres Bruders, Lydia Nunez des Mordes an Paul zu überführen. Claire hatte die Eheleute miteinander bekanntgemacht. Den Auftrag lehnt sie ab, sie ermittelt ohnehin, aber auf eigene Faust.
Offiziell nimmt sie fünfundzwanzig Tage nach Pauls Tod nur einen Auftrag an, den der verschwundenen Miniaturpferde. Ihr Auftraggeber Ellwood James ist überzeugt, dass jemand seine Pferde stiehlt. Nach Claires Theorie entwischten die Pferde, um sich in Freiheit ein paar Wachstumsgene einzufangen oder um ungestört Selbstmord zu begehen. (S. 91) Auch wenn Claire noch andere Aufträge bearbeitet, wie den des missverstandenen Managers oder den des verwirrten Akademikers, so ist ihr doch nichts so wichtig wie Pauls Tod.

In dem zweiten Erzählstrang, der 1986 in Brooklyn spielt und einen größeren Teil des Romans einnimmt, erfährt der Leser etwas mehr aus Claires Vergangenheit als im ersten Roman der Serie. Ihre Freundin Tracy entdeckte 1980 das fiktive Detektivhandbuch „Détection“ von Jacques Silette in ihrem verstaubten, tristen Elternhaus. Détection ist ein Leitfaden, dessen Anhänger sich gegenseitig erkennen, weil sie alle auf der Suche nach der Wahrheit sind. Claire, Tracy und Kelly wollen von da an Detektivinnen werden. Dass das Leben als Detektiv lebensgefährlich ist, erfahren sie am eigenen Leib, als sie auf der Suche nach Chloe, Tracys bester Freundin, sind. Tracy wird zehn Jahre später selbst zu einem Rätsel. Sie verschwindet spurlos von einem New Yorker U-Bahnsteig und hinterlässt ein Loch in der Welt.

2013 erhielt Sarah Gran für „Die Stadt der Toten“ den Deutschen Krimipreis. Der Roman hat mich wegen seiner ungewöhnlichen Detektivin sehr beeindruckt. In „Das Ende der Welt“ ist die von Kokain benebelte Claire DeWitt noch extremer, noch rastloser, noch verzweifelter und noch intensiver in San Francisco unterwegs. „Ich habe keine besondere Einstellung zu Drogen“, sagt Sara Gran. „Keine besonders populäre, …, aber solange man niemandem anders schadet, sollte jeder Drogen nehmen dürfen.“ Nach dieser Devise lebt ihre Protagonistin Claire DeWitt. Sie hat einen Hang zu Exzessen, schließt sich gerne in Toiletten von Restaurants oder in Badezimmer fremder Leute ein. Dann zieht sie vom Klodeckel lange Linien Koks und wirft sich zusätzlich noch Pillen ein, die sie aus Medizinschränken ihrer Bekanntschaften geklaut hat. Sie bleibt, auch wenn das Buch streckenweise anstrengend zu lesen ist, weil sich der Leser nach der x-ten Kokslinie selbst im Drogenrausch befindet, trotzdem so kultverdächtig wie Sherlock Holmes oder Lisbeth Salander. Ich habe den Roman gerne gelesen, weiß aber nicht, ob ich weitere Bände um Claire DeWitt lesen möchte. Die zentrale Figur der exzentrischen Detektivin nutzt sich sehr schnell ab und reicht nicht aus für eine ganze Serie.