Der Fall Kali-Yuga und andere

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philipp.elph Avatar

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Manche Krimiautorinnen trinken beim Schreiben ihrer Romane Grünen Tee, Sara Gran scheint bei ihrer Arbeit Joints zu rauchen und Kokain zu ziehen. Wenn es stimmt, dass ein Teil eines Autors im Roman steckt, könnte es durchaus sein, dass in Claire DeWitt, Privatdetektivin und Hauptperson in „Das Ende der Welt“, in dieser Hinsicht ein Teil von Sara Gran steckt.

Wir kennen Claire DeWitt bereits aus „Die Stadt der Toten“ als eine Ermittlerin ganz neuen Typs, häufig auf Droge, halluzinierend, visionär, durch Karten legen Täter erkennend. Sie ist Silhetteianerin – Anhängerin des imaginären Jaques Silhette, dem Autor jener unverständlichen Detektivbibel „Détecetion“, auf die sich Claire bei ihrer Arbeit bezieht – und sie erklärt das Kali-Yuga, das Zeitalter des Verfalls und Verderbens zur Jetztzeit.

Ihren aktuellen Fall nennt sie „Der Fall Kali-Yuga“ und es ist tatsächlich die Geschichte vom Verfall einer Ehe und dem Verderben, in das die Partner schliddern. Paul, der männliche Teil endet zu Beginn des Romans durch Schüsse tot in seinem Haus, die Detektivin beginnt zu ermitteln. Paul und Claire waren einige Jahre zuvor ein Paar, danach heiratete er die nun trauernde Witwe.

Dabei ermittelt Claire fernab der üblichen Pfade, die wir von Detektivinnen, Kommissarinnen und ihren männlichen Pendanten kennen. Eine Mischung von Intuition und Deduktion bestimmt ihr Vorgehen, immer mit der oben genannten Nahrung, aber stets auch mit ungewöhnlichen Schussfolgerungen, die letztlich zur Aufklärung des Falles führen.

Ob DeWitt auch im Nebenplot, der dem Buch den deutschen Titel gegeben hat, so erfolgreich zum Abschluss kommt, ist mir unklar geblieben. Ist es die Fantasie, die den Fall löste, der sich vor einigen Jahrzehnten abspielte, als Claire DeWitt zu Schulzeiten das Detektiv-Sein noch spielte? Oder hat sie zusammen mit ihrer Freundin Tracy die Verschwundene tatsächlich wiedergefunden uns ins normale Leben zurückgeführt? Ist dieser Nebenstrang ein Traum im koksgeschwängerten Leben von Claire oder eine wahre Erinnerung?

Jaques Silhette schreibt in „Détection“: „Eines Tages, viele Generationen in der Zukunft, wird sich alles aufklären und alle Rätsel werden gelöst, daran glaube ich.“

Ich glaube nicht, dass alle Rätsel um Claire DeWitt gelöst werden können. Und dies ist das Interessante und Außergewöhnliche einer ungewöhnlichen Person, an der sich noch viel entdecken lässt. Letztlich ist es die Privatdetektivin, die im Mittelpunkt von Sara Grans Romanen steht, nicht der jeweilige Fall.

Möge Sara Gran weiterhin – dazu bekennt sie sich offensichtlich – mindestens weiterhin so viele Drogen nehmen wie Claire DeWitt oder zumindest ihre Protagonistin so weiter agieren lassen wie bisher.

Der Übersetzerin Eva Bonné wünsche ich dagegen stets einen klaren Kopf, um derartige Fiktion so lebhaft und “authentisch” zu übersetzen!