Großer Familienroman
Daniela Raimondis Roman "Das erste Licht des Sommers" ist ein richtiger Schmöker, den man, einmal darin eingetaucht, nur schwer wieder aus der Hand legen kann. Das wie ein expressionistisches Gemälde anmutende Cover hat mir gefallen und mein Interesse am Buch geweckt. Auch der Klappentext versprach eine interessante Familiengeschichte. Die Story spielt auf zwei verschiedenen Erzähl- bzw. Zeitebenen. Auf der einen Ebene wird das Leben der Protagonistin Norma von ihrer Geburt bis ins hohe Alter erzählt. Der andere Erzählstrang umfasst nur einen begrenzten Zeitraum von einigen Wochen im Heute, den Norma gemeinsam mit ihrer sterbenskranken Mutter in der italienischen Heimat verbringt. Alle Figuren und Orte in diesem Roman sind sehr anschaulich und lebendig beschrieben, so fiel es mir als Leser leicht, mich in alles hineinzuversetzen und mir eine detaillierte Vorstellung von allem zu machen. Raimondi schreibt in klarer, dennoch poetischer Sprache, so dass sich der Text ohne große Anstrengung "weglesen" lässt. Zwei Dinge haben mich allerdings gestört: erstens waren viele Textstellen in italienischer Sprache eingeflochten, die zwar direkt auf Deutsch übersetzt waren, aber für den Lesefluss eher störend und für die Geschichte inhaltlich eigentlich wenig bedeutsam waren. Zweitens waren viele Figuren doch sehr klischeehaft gezeichnet, eine Ansammlung "typischer" Charaktere, vom Hausmütterchen über den fremdgehenden Ehemann bis hin zur durchgeknallten aber liebenswerten Hippiefreundin und ihrem iranischen Ehemann, der sich, solange er in Europa lebte, noch liberal und weltoffen gab, aber kaum zurück in der iranischen Heimat plötzlich intolerant, gebieterisch und geradezu fanatisch agierte. Das war mir dann doch etwas zu eindimensional und oberflächlich. Alles in allem ist das Buch eine nette, wenig anstrengende Sommerlektüre ohne großen Anspruch.