Die Aalfrage – Ambivalenz des Seins

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Der schwedische Autor Patrik Svensson führt uns in seinem Debütroman „Das Evangelium der Aale“ zur Hanöbucht, an jenen magischen Ort seiner Kindheit, der auch außerhalb von Schweden besser als „Aalküste“ bekannt ist. Es ist der Ort an dem sein Vater ihm das Aalfischen beibrachte und an dem die beiden Köder, Langleinen und Reusen auslegend, ohne viele Worte, für immer untrennbar zusammengewachsen sind. Retrospektiv stellt Svensson fest, dass die beiden sich niemals näher waren, als in diesen Momenten nach Sonnenauf- bzw. Sonnenuntergang, in ihren Gummihosen und den Gummistiefeln, mit den nassen Händen und zusammen mit diesen länglichen Fischen mit ihren kleinen schwarzen Augen, über die wir bis heute erstaunlich wenig wissen.

„Wer den Ursprung von etwas sucht, sucht zugleich auch seinen eigenen Ursprung“, schreibt Svensson in seinem Evangelium und definiert so die Suche nach der Wahrheit über die Aale auch zu einer Suche nach der Wahrheit über die Beziehung zu seinem Vater – eine Metamorphose durch die Erinnerungen seiner Kindheit.

Durch den Wechsel zwischen Autobiografie und zoologischem Sachbuch in jedem Kapitel, stellt das Buch dabei nicht nur die „Aalfrage“, sondern verändert diese auch im Laufe der Jahrhunderte: von Beobachtungen durch Aristoteles und Sigmund Freud, über Darstellungen von Günter Grass und Rachel Carson gibt Svensson Exkurse in verschiedene Jahrhunderte der Psychologie, Religion, Geschichte und Literatur.

Der Roman ist leise und zart, seine Wortwahl ist klug und berührend, seine Anekdoten sind philosophisch und kultiviert: Svensson schildert die Geschichte der Aale mit so viel Liebe zum Detail und mit so vielen Hintergrundinformationen, dass nicht einmal der Titel einen Euphemismus darstellt. Stattdessen ist „Das Evangelium der Aale“ vermutlich schlicht das schönste und emotionalste Sachbuch des Jahres und seine Fragen werden zum Echo der Fragen eines jeden Menschen: Woher komme ich? Wohin bin ich unterwegs? Und warum?

Absolute Leseempfehlung!