Poetisches Sachbuch

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gabriele 60 Avatar

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Patrik Svensson wuchs in der Nähe der schwedischen Aalküste auf und war mit seinem Vater oft beim Aalangeln. Der mochte den Aal gebraten, gedünstet und geräuchert. Geräuchert kannte ich ihn bisher auch. Doch wie sein Leben aussah, bis er in diesem Zustand auf den Tisch kam, war mir bisher nicht bekannt.

„Wer den Ursprung von etwas sucht, sucht zugleich auch seinen eigenen Ursprung“ schreibt der Autor auf Seite 78. Und er nimmt uns Leser mit in die Sargassosee, wo der Aal nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler geboren wird. Abwechselnd erzählt er in den 18 Kapiteln von den Erlebnissen mit dem Vater und entführt uns Leser in Wissenschaft und Literatur. Schon früh stellte Aristoteles Überlegungen zum Aal an. Jahrhunderte später begann Sigmund Freud seine Karriere.

Seite 54: „Was fand der 19jährige Sigmund Freud in Triest? Vielleicht, wenn schon nichts anderes, eine erste Erkenntnis darüber, wie weit unter der Oberfläche manche Wahrheiten verborgen liegen. Beim Aal wie auch beim Menschen. Und so kam es, dass der Aal auch die moderne Psychoanalyse beeinflusste.“

Ebenso spielte der inzwischen vom Aussterben bedrohte Aal in der Literatur eine Rolle. Beispielsweise in Günter Grass‘ „Blechtrommel“ oder bei Rachel Carson, die bereits 1952 des Menschen Einfluss auf die Natur anprangerte.

Auch wenn das Leben des Aals heute weitgehend erforscht ist, gibt es immer noch Unklarheiten darüber, wie er sich fortpflanzt. Warum er das gerade in der Sargassosee macht und von dort tausende Kilometer zu seinen Lebensräumen zurücklegt. „Es ist nach wie vor ein ziemliches Rätsel, wie er sein Ziel erreicht. Welchen Weg schlägt er ein? Wie findet er ihn und wie schafft er es, rechtzeitig dort zu sein? Wie kann ein Aal innerhalb von nur wenigen Monaten sieben- oder achttausend Kilometer zurücklegen?“ (Seite 179).

Selten hat mich ein Sachbuch dermaßen fasziniert. Gerade der Wechsel zwischen eigenem Erleben und wissenschaftlichen Erkenntnissen macht es so lebendig. Dazu kommt ein wunderbar gestaltetes Cover. Auf jeden Fall ein Buch, das ich uneingeschränkt empfehlen kann. Auch, weil es viele philosophische Gedanken enthält.

„ Ruft gerade die Aalfrage bei dem, der sich mit ihr beschäftigt, eine besondere Hartnäckigkeit hervor? Je mehr ich selbst über den Aal lerne und je bewusster mir wird, was es im Laufe der Geschichte gekostet hat, ihn zu verstehen, desto mehr neige ich zu dieser Erklärung. Vor allem glaube ich, dass das Rätselhaft uns anzieht, weil es gleichzeitig auch immer etwas Bekanntes enthält. Der Ursprung des Aals und seine Wanderung sind schließlich trotz aller Merkwürdigkeiten etwas, wozu man sich verhalten und das man vielleicht sogar wiedererkennen kann: das lange Treiben mit dem Strom, um fortzukommen, und der zielstrebige und mühsame Weg zurück; was wir alles zu tun bereit sind, um nach Hause zu finden.“ (Seite 78)