Man kann nicht nur Gegenstände verlieren …

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Dorothy Watson, genannt Dot, hat sich zum Ziel gesetzt, verlorene Dinge ihren Besitzern wiederzugeben. Klingt ganz normal – so arbeitet ein Fundbüro ja auch. Doch bei Dot geht das tiefer und treibt manchmal auch seltsame Blüten. Eines Tages kommt John Appleby ins Fundbüro. Er hat eine Reisetasche verloren, in der das Portemonnaie seiner verstorbenen Frau ist. Dot bewegt die Geschichte so sehr, dass sie alles daran setzt, Tasche und Portemonnaie wieder aufzutreiben. Ihre Suche lässt sie so einiges finden, womit sie nicht gerechnet hatte und das sie gar nicht verloren geglaubt hatte …

Hach, was für ein wunderbares, liebevolles, ergreifendes, bewegendes und kluges Buch das doch ist! So eigenartig Dot manchmal scheint, so wunderbar ist sie auch. Nach und nach erfährt man, wie sie zu der Frau wurde, die sie ist und deren „Form“ sie hartnäckig erhalten möchte. Nicht nur sie, auch die anderen Personen rund um ihr Leben sind speziell – aber dennoch alle auf ihre eigene Weise liebenswert. Das allein ist schon ein Teil der Aussage des Buches: Jeder, egal wie er ist, ist liebenswert!

Auch werden dem Leser oder Hörer die Augen ein bisschen geöffnet für das, was wir sehen, was andere sehen und was die Wahrheit dabei ist, aber vor allem dafür, was man alles mehr oder weniger unbemerkt verlieren kann – von simplen Gegenständen über die Fassung bis zum Glauben oder gar sich selbst ist da ein weites Spektrum. Doch was man verlieren kann, kann man auch wieder finden und manchmal finden andere das, was man selbst verloren hat – und bringen es zurück.

Die Sprachmelodie der Autorin ist sanft und liebevoll, voller Verständnis und ganz ohne erhobenem moralischem Zeigefinger. Dennoch – oder gerade deshalb – bewirkt sie eine Reflexion beim Leser/Hörer, die manchmal ein bisschen schmerzt, aber dennoch unfassbar heilsam und wohltuend ist. Ja, mich hat das Buch zum Weinen gebracht, aber es hat auch tatsächlich ganz alte Wunden bei mir – wenn nicht geheilt, dann doch gesalbt. Damit hatte ich nicht gerechnet, umso wundervoller ist es. Doch auch ganz ohne dieses außergewöhnliche „Extra“ hat das Buch seine eigene Magie.

Genau solche Bücher sind es, die das Lesen zum schönsten Zeitvertreib der Welt machen und die Menschen und die Welt schöner machen. So unlogisch manche Reaktionen von Dot anfangs schienen, so verständlich sind sie, wenn man hinter die Fassade blickt. Genau das müssen wir lernen zu tun: hinter die Fassaden, die künstlichen Kulissen, blicken.

Für mich ist dies ein absolutes Highlight und es wird schwer werden, danach mit einem Buch zufrieden zu sein. Zu sehr trifft Helen Frances Paris einen Nerv. Fünf Sterne!