Selten hat mich ein Buch dermaßen berührt

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lilly_molamola Avatar

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Wow, wow, wow! Es ist schon sehr lange her, dass mich ein Buch dermaßen berührt hat und mich emotional so mitgenommen hat. Dot Watson arbeitet im Fundbüro der öffentlichen Verkehrsmittel Londons und ist mit Verlust jeglicher Art vertraut - auch in ihrem privaten Leben. Ihr größtes Bestreben ist es jedoch, dass jeder verlorene Gegenstand wieder zu seinem ursprünglichen Besitzer zurückfindet und mag der Verlust auch noch so minimal erscheinen: "Das ganze Fundbüro hat etwas aus der Zeit Gefallenes an sich, wie ein Museum, ein Archiv der Erinnerungen, eine Bibliothek des Verlusts." Besonders am Herzen liegt ihr die verlorengegangene Reisetasche von John Appleby. Dots eigener, zahlreicher Verlust war für mich als Leserin während der Geschichte so dermaßen spürbar, dass ich sie am liebsten getröstet hätte. Doch von Mr. Appleby erhält sie eine herzzerreissende, jedoch wahre Lektion: "Das Leben hat so viel zu bieten {...} glückliche Zufälle, Aufregendes, Hoffnung. Doch durch alles zieht sich auch der Verlust. Wollte man diesen einen Faden herausziehen, würde sich das ganze Gewebe auflösen. Verlust... ist der Preis, den wir für die Liebe zahlen." Diese Erkenntnis hat mich unfassbar traurig gestimmt - nichts im Leben erhält man ohne Gegenleistung, alles hat seinen Preis. Und auf jeden Besitz, auf jedes Kennenlernen folgt eines Tages der Verlust, der Abschied. Die Sprache der Autorin zeichnet sich durch eine sehr feine Wortwahl aus, man kippt von Beginn an in die Geschichte. Mit Dot konnte ich mich stellenweise sehr gut identifizieren, ich konnte ihre Schritte so sehr nachvollziehen, spürte ihre Verzweiflung, ihr Alleinsein, ihre Sehnsüchte. Auch der Titel hat mich beinahe zum Weinen gebracht: "Das Fundbüro der verlorenen Träume" - für jeden von uns sind andere Dinge von unfassbarer Bedeutung, von emotionalem Wert, die durch nichts zu ersetzen sind. Und Dot hilft jedem Einzelnen im Buch, ein Stück weit seinen verlorenen Traum wiederzufinden. Sie ist absolut selbstlos und denkt zuerst immer an die anderen, bevor sie sich um ihre eignen seelischen Baustellen kümmert. Dieses Buch ist mehr als bloß ein Roman - er öffnet einem die Augen dafür, dass oft die kleinsten Dinge die größte Bedeutung haben, wenn es darum geht, mit Verlusten welcher Art auch immer zurechtzukommen. Die angesprochenen Themen des Romans sind unfassbar vielseitig; kaum zu glauben, was sich alles auf 367 Seiten unterbringen lässt. Am Ende habe ich mich unfassbar für Dot gefreut, dass auch sie endlich ihr verdientes Happy End erhält, dass ich tatsächlich geweint und mir gewünscht habe, die Handlung möge noch weiter gehen. Für mich definitiv eines der Lesehighlights 2022!