Nicht völlig klischeefrei, aber erfrischend gut

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
favourite trash - favourite treasure Avatar

Von

Bei diesem Buch hat das düstere Cover meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ich habe mir nicht viel davon versprochen, weil es nur noch wenig guten frischen Wind in Urban Fantasy/Romantasy gibt, aber Dark Creatures hebt sich in vielen Punkten von dem durchschnittlichen Buch in diesem Genre ab:

1. Aufgrund der Leseprobe hatte ich ein ekliges Liebesdreieck zwischen Sara, Nikolas und Eli, dem Vampir, der es auf Sara abgesehen hat, befürchtet. Zum Glück geht dieses Buch da in eine erfrischend realistische Richtung und behandelt Eli schlicht als den Feind, der er ist.

2. Das ist keine Kuschelfantasy - die Autorin hat keine Angst davor, sehr blutige und brutale Szenen zu beschreiben, ohne dabei ins Geschmacklose abzurutschen. Nicht nur in dieser Hinsicht hat mich das Buch an die Serie True Blood erinnert (die auf einer Buchreihe von Charlaine Harris basiert, welche ich aber nicht gelesen habe). Auch da gab es einen weniger romantisch-verklärten Blick auf Fabelwesen als es in den meisten anderen Geschichten dieser Art der Fall ist.

3. Es gibt kein überfrühtes peinliches Schmachten, stattdessen sehr viel Humor. Ich habe mich wunderbar unterhalten gefühlt!

4. Die Fremdsprache, die im Buch verwendet wird (Russisch), ist (bis auf eine Stelle, wo mir nicht klar war, was genau gemeint ist) tatsächlich fehlerfrei! Das hat mich vielleicht am meisten überrascht, weil ich solchen Luxus nicht von Büchern dieses Genres gewöhnt bin. Leser, die mit Russisch und seiner Transliteration nicht vertraut sind, werden die Sätze aber vermutlich trotzdem nicht korrekt lesen können. Sie werden auch nicht übersetzt.

Einige Probleme teilt das Buch aber auch mit anderen seines Genres:

1. Es gibt auch hier Beschreibungen von sinnlosen Tagesabläufen: wie Sara von der Schule kommt, was sie isst, welche Musik sie auflegt und wie oft sie sich aufs Bett schmeißt. Die Beschreibungen ihrer alltäglichen Interaktion mit Tieren und Fabelwesen habe ich aber genossen, weil sie zur allgemeinen Atmosphäre beitrugen.

2. Nikolas ist als übernatürliches Wesen, genau wie meist Vampire, um einiges älter als Sara, was ich einfach creepy finde und woran auch sein jugendliches Aussehen nichts ändert. Es wäre vielleicht anders, wenn sie wenigstens volljährig wäre, aber mit sechzehn empfinde ich den Altersunterschied einfach als unangenehm.
Andererseits entwickelt sich die Romanze zwischen den beiden nur sehr langsam, was ich auch im Hinblick auf den romantischen Spannungsbogen der Folgebände gut finde.

3. Da Sara ihre übernatürlichen Kräfte nicht auf besondere Weise trainiert hat, ist es vielleicht realistisch, dass sie auf Hilfe angewiesen ist, wenn sie angegriffen wird. Dennoch bringt sie sich selbst immer wieder in Gefahr und nicht jedes Mal geht es dabei um ein für sie wirklich wichtiges Treffen. So ist sie letztlich nur ein Mädchen, das gerne tough tut, aber letztlich nichts kann als sich von ihrem Rudel Männer, von denen sie weiß, dass sie nicht anders können als sie zu beschützen, retten zu lassen. Selbige lassen sie so gut wie nie aus den Augen, außer praktischerweise genau dann, wenn ein Feind vorbeikommt. Ich hätte mir gewünscht, dass sie Autorin diese Gefahrensituationen ein wenig elaborierter konstruiert hätte.

4. Auch Sara hat das "Ich bin einfach anders"-Syndrom und ist unfähig sich mit Gleichaltrigen zu identifizieren. Kein einziges Mädchen schneidet in ihrer Bewertung gut ab; alle, die vorkommen, haben nur Jungs im Kopf und benehmen sich völlig irrational und lächerlich.

Abschließend hätte das ebook auch noch von weiteren Korrekturen profitiert. Dennoch hat mir die Lektüre sehr viel Spaß gemacht. Im Buch kommen alle möglichen bekannten (z.B. Trolle) und weniger bekannten Fabelwesen vor und kreieren mein Lieblingsszenario: Eine elaborierte geheime Fabelwelt, die von den Menschen unbemerkt existiert, voll mit interessanten Gestalten und nicht nur eine einzige Art wie z.B. die überbeliebten Blutsauger, die mittlerweile selbst ganz leer, da ausgelutscht sind. Insgesamt habe ich das Buch trotz Klischees verschlungen und werde die Folgebände auch lesen. Zum Glück sind auf Englisch schon ganz viele erschienen!