Doch kein klassischer "Whodunit"

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marakkaram Avatar

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Die Uhr schlug vier. Ich schlief ein. Es war der erste Weihnachtstag, mein Plan stand fest, und ich war voller Hoffnung.

Wie in jedem Jahr, trifft sich die komplette Framilie Gray im abgelegenen Landhaus des ungeliebten Vaters Adrian. An Heiligabend haben sich noch alle wie gewohnt versammelt, doch am nächsten Morgen ist der alte Gray tot. Eins ist klar, einer aus der Familie muss der Täter sein, aber gibt es überhaupt jemanden, der kein Motiv hatte....

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Dies ist bereits der dritte Band der von Klett-Cotta neu aufgelegten, alten, englischen Krimiperlen.

Erwartet habe ich ja einen schönen klassischen Whodunit-Schmöker a la Agatha Christie. Und obwohl Anne Meredith den Vergleich mit der Queen of Crime nicht zu scheuen braucht, war ich dann doch überrascht, was hinter "Das Geheimnis der Grays" steckt. im Original heisst der erstmals 1933 erschienene Roman "Porträt of a Murderer", was es meiner Meinung nach exakt trifft. Denn hier begibt sich nicht der Leser auf Mördersuche, sondern er schaut der Familie dabei zu, ob sie ihn unter sich findet. Uns hat er sich bereits im zweiten Teil offenbart.

Doch das macht es nicht minder spannend. Es geht hier in erster Linie um das Zwischenmenschliche, das Familiengeflecht und die Psyche eines Mörders; es geht um Macht, Ehrgeiz, Spekulationen, Geldgier, Selbstverwirklichung und Anerkennung.

Anne Meredith hat ihre Figuren sehr klassisch und ohne charakterliche Überraschungen angelegt. Trotzdem stellt sich so manches Mal die Frage, wie gewisse Personen sich entscheiden werden. Welche Entscheidung hätte ich selber getroffen?

Und obwohl mir persönlich der Mörder von Anfang an unsympathisch war, hat die Autorin das Ziel den Menschen zu zeigen, indem sie den Leser an seiner Gedankenwelt teilhaben lässt.

Herausgekommen ist ein kurzweiliger Schmöker für die Herbst- und Winterzeit, der geschickt zu unterhalten weiss. Schön, dass der Klett-Cotta Verlag diese alten Krimiperlen noch einmal aufleben lässt.