In der Kürze läge mehr Würze

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laberlili Avatar

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„Das Geheimnis von Shadowbrook“ erinnerte mich eingangs von der Atmosphäre und dem Stil her ein wenig an DuMauriers „Rebecca“, wobei sich der Roman recht schnell mehr in Richtung des Thrills aus „Schrei in der Nacht“ von Mary Higgins Clark bewegte, wobei ich diese beiden Romanen sehr schätze: Sie zählen eindeutig zu meinen literarischen Dauerfavoriten – so hatte ich dann auch recht schnell sehr hohe Erwartungen, was „Das Geheimnis von Shadowbrook“ anging.
Letztlich habe ich es als gutes Buch empfunden, auch wenn es sich nicht in die Reihe besagter Dauerfavoriten einreihen konnte: Ich hatte auf eine klare 5*-Lektüre spekuliert, erhalten habe ich eine –für mich- glatte 4*-Geschichte.

Eingangs fand ich Clara einen sehr einzigartigen, spannenden Charakter; durch die Glasknochenkrankheit war sie eigentlich fast vollständig inhäusig aufgewachsen, so dass sie kaum in Berührung mit der Außenwelt kam und auch nicht „klassisch“ sozialisiert wurde, da sich ihre Kontakte eben sehr auf die Personen in ihrem nächsten Umfeld beschränkten, die sie krankheitsbedingt buchstäblich in Watte packten. Claras erste Ausflüge vor die eigene Haustür ließen mich an eine Touristin denken, die unvorbereitet, aber neugierig, eine ihr völlig fremde Kultur entdeckt. Dabei scheint Clara auch nicht in den Zeitgeist zu passen; die Haupthandlung setzt kurz vor Beginn des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs ein und wäre Clara gesund gewesen, hätte man sie vermutlich bei den Suffragetten finden können: Sie scheint sehr modern, sehr selbstsicher, schon recht feministisch, was sicherlich auch daran liegt, dass sie als Kind und Jugendliche keine gesellschaftstypische Mann/Frau-Unterscheidung kennengelernt hat. Da sie zuhause allerdings das „Goldene Kind“ gewesen zu sein schien, um das sich alles drehte und dem man da quasi alles möglich zu machen versuchte, war ihr Konfliktpotential aber auch eher in die Richtung ausgeprägt, dass sie sich stur an sich selbst festbiss, bis die Gegenseite zermürbt war – ab einem gewissen Punkt fand ich Clara einfach nicht mehr herrlich selbstbewusst, sondern teils entnervend dickköpfig. Während ich anfangs noch bereit war sie aufgrund ihrer Art zu idolisieren, würde ich einen Charakter wie sie letztlich lieber nichtmals in meinem weiteren Umfeld gewusst haben. Irgendwann empfand ich sie als anstrengend distanzlos und hatte das Gefühl, dass sie zwar erkannte, aber absolut nicht respektierte, wenn sie einem Anderen zu sehr in dessen „persönlichen Tanzbereich“ eindrang. Teils war sie in meinen Augen also viel zu aufdringlich. Hauptsächlich hat dann auch die Figur der Clara den einen letzten Stern zur Höchstwertung für mich hinweggenommen, wozu auch beitrug, dass eingangs ständig die Intensität ihrer Krankheit hervorgehoben wurde, die damit einhergehenden Risiken, dass sie sich quasi ständig einen Knochen brach, wenn sie sich nur einmal um sich selbst drehte, aber spätestens ab ihrer Reise nach Shadowbrook war die Krankheit kaum mehr ein Problem und wurde nur noch einmal thematisch ordentlich verbraten; ansonsten war sie plötzlich nicht mehr gefährdet als Otto Normalverbraucher, der sich höchstens mal was aus Schusseligkeit raus verletzt. Das kam mir doch bald irgendwie spanisch vor.

Zudem war dafür, dass der Roman im Deutschen „Das Geheimnis von Shadowbrook“ heißt, jenes Geheimnis irgendwie hintergründig. Es sollte spuken, Clara war überzeugt, dass es keine Geister gibt und daher eine rationale Erklärung für die stattfindenden Phänomene geben müsse, aber zum Einen war der Spuk eher von der ganz simplen, langweiligen Sorte und zum Anderen war ich mir bald auch nicht mehr sicher, ob das Haus überhaupt noch ein Geheimnis in sich bergen würde – grad das letzte Viertel des Romans war dann doch eher zäh, wie ich fand; es zog sich sehr in die Länge und da fand ich die Auflösung schließlich auch reichlich unspektakulär. Für mich wurde da aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Das war enttäuschend, zumal die Mauern Shadowbrooks in der Geschichte des Hauses definitiv einige sehr krasse Dinge zwischen sich hatten stattfinden sehen. Insgesamt dennoch ein nettes Drama, das aber auch gut auf ein paar Seiten weniger hätte untergebracht werden können.