Tapfere Clara!

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kleine hexe Avatar

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Beeindruckendes Buch. Eine junge Frau die eigentlich ihre ganze Kindheit im Haus ihrer Eltern verbracht hat wegen ihrer seltenen Behinderung, nimmt nach dem Tod der Mutter eine interessante und gut bezahlte Stelle an: sie soll ein Glashaus mit exotischen Pflanzen einrichten. In dem Gutshaus, das zum Glashaus gehört, soll es spuken, eine böse Frau hat da früher gelebt und nun, nach ihrem Tod, geistert sie anscheinend immer noch herum. Aber Clara, unsere kleine, tapfere und kluge Heldin mit der Glasknochenkrankheit ist nicht so leicht zu überzeugen. Lange zweifelt sie, ob dem auch wirklich so sei. Auch hat sie so ihre Bedenken, ob die Verstorbene wirklich derart böse und lasterhaft ungehemmt war, oder ob da nicht andere Interessen im Spiel sind. Letztlich lässt sie sich überzeugen, denn alle im Haus, der Hausbesitzer, die Wirtschafterin, die Hausmädchen, alle sind fest überzeugt, im Haus geht ein Geist rum, schmeißt die Bilder von den Wänden, bringt alle Blumen zum Verwelken, geht nächtens durch die Flure, dringt in die Zimmer ein, beschädigt und rüttelt an Türen. Es dauert lange, bis Clara dahinterkommt, was da gespielt wird, wer ihr Arbeitgeber ist, was für eine Bewandtnis es mit dem Geisterjäger hat, weshalb die Haushälterin das Haus verlässt. Das ist alles sehr spannend und dramatisch geschrieben, wie in einem echten Gothik Novel.
Was das Buch aber so interessant macht, ist wie Clara mit ihrer Behinderung umgeht. Wir schreiben immerhin das Jahr 1914, im Sommer vor Ausbruch des ersten Weltkrieges. Die medizinischen Kenntnisse über diesen seltenen Gendeffekt waren fast null, es ist ein Wunder, dass Clara überhaupt ihre Kindheit überlebt hat. Clara wurde daheim von ihrer Mutter Charlotte unterrichtet, weil draußen viel zu viele Gefahren für das Kind drohten. Aber auch daheim war sie nicht sicher. Heftig Niesen, mit dem Zeh gegen ein Möbelstück stoßen, mal kurz ans Treppengelände stoßen, Bewegungen die wir für uns gar nicht mehr wahrnehmen, endeten für Clara in Knochen- und Rippenbrüche. Trotzdem gelang es ihr immer wieder, sich aufzuraffen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Das war ihre Kindheit. Ohne andere soziale Kontakte als Mutter, Stiefvater, Dienstboten. Auch Claras Herkunft ist rätselhaft. Und klärt sich später restlos auf.
Clara, die junge, zarte zerbrechliche Clara ist zäh und hartnäckig und gibt nicht auf, bis nicht alle Geheimnisse von Shadowbrook restlos aufgedeckt sind. Ihre Glasknochenkrankheit ist für sie eher ein Ansporn denn ein Hindernis ihr Elternhaus zu verlassen, die Welt zu erkunden, neue Menschen zu erkunden. Zuerst in Kew Gardens, danach in Shadowbrook. Während des ersten Weltkrieges verwandelt sie Shadowbrook in ein Sanatorium für Kriegsverletzte. Sie, die so schwer gezeichnete bringt das richtige Verständnis für die vom Krieg gezeichneten Menschen, hilft ihnen sich aufzurichten, das Leben zu meistern.

Ich finde Clara ist ein richtiger Held. Ohne Superkräfte, ohne Gewalt, macht sie die Welt ein Stückchen besser. Geduldig, in kleinen Schritten aber sehr präsent. Tapfere Klara!