Von Gärten und Geistern

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Im Jahre 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, übernimmt die junge Clara Waterfield einen Auftrag: Sie soll auf dem herrschaftlichen Landsitz Shadowbrook den Aufbau eines Gewächshauses (engl. Titel: Glashaus) betreuen und es mit exotischen Pflanzen füllen. Clara wurde mit der Glasknochenkrankheit geboren, kleinste Anstöße verursachten schlecht verheilende Frakturen. Körperlich verformt verbrachte sie den größten Teil ihrer Kindheit überbehütet in gepolsterten Räumen, durfte das Haus nur selten verlassen. Unterrichtet wurde sie liebevoll von ihren Eltern - diese waren auch ihre einzigen Bezugspersonen, weswegen sich Clara, was soziale Interaktion anbelangt, eher grob-direkt und besserwisserisch entwickelt. Nach dem Tod ihrer geliebten Mutter flüchtet sich Clara in die Welt der Botanik und eignet sich umfangreiches Wissen an.

Der Garten, in dem das Gewächshaus steht, ist traumhaft schön und sprüht vor Leben. Im alten Wohnhaus hingegen passieren seltsame, übernatürliche Dinge: Schritte in der Nacht, Kratzer an den Schlafzimmertüren, Schreie am frühen Morgen. Clara begegnet mehreren merkwürdigen Charakteren: Einer schweigenden Dienerin, einem Einheimischen, der mehr weiß, als er spricht, dem Eigentümer Mr. Fox, der selten zuhause ist und sich bei den gelegentlichen Besuchen im verbotenen ersten Stock des Hauses zurückzieht und einigen mehr. Nach und nach befragt sie die Menschen immer weiter nach der Familie, die dieses Haus seit Generationen besitzt.

Eine Überraschung folgt der nächsten in Susan Fletchers Roman. Während Clara immer gefährlicheren Geheimnissen auf die Spur kommt, ändert die Autorin die Richtung: Was als übernatürliches Märchen beginnt, entwickelt sich zu etwas viel Größerem. Stimmungsvoll, sinnlich dunkel und atmosphärisch geheimnisvoll verliert sich der Leser dabei in Fletchers traumhafter Prosa, riecht den prächtigen Garten, hört die Geister (auch die der Vergangenheit) im gotischen Landhaus und erlebt das Ausgraben von Familiengeheimnissen. Die gespenstischen Vorkommnisse der Nacht könnten auch ein Vorbote des bevorstehenden Krieges sein und was sich mit diesem alles ändern wird oder was es gesellschaftlich heißt, in dieser Zeit eine emanzipierte Frau zu sein.

Diese Ambivalenz von Übernatürlichkeit und langverstrickter Vergangenheit hat ihre Längen, besonders zum Mittelpunkt hin, während die erste Hälfte sehr stark ist. Trotzdem hat Susan Fletcher einen außergewöhnlichen Roman mit einer starken Protagonistin geschaffen - und der unheimlich sinnlich geschrieben ist.