Wahnsinnig tolle Idee enttäuschend umgesetzt

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thrilltastisch Avatar

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Das wunderbar golden glänzende, in Blumen gebettete „S“ auf dem Cover ist ein Traum, man will sich diesen Schatz sofort ins Regal stellen.
Eine Geschichte über eine junge Frau, die Anfang des 20. Jahrhunderts mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten und dem schaurigen Geheimnis eines alten Landsitzes zu kämpfen hat, passt perfekt in den Herbst, daher bewarb ich mich um ein Lese-Exemplar und war glücklich, das schöne Stück lesen zu dürfen.
Auf den ersten Seiten erfahren wir, dass die Protagonistin Clara Waterfield an der Glasknochenkrankheit leidet und aufgrund der massiven Einschränkungen, die damit einhergehen, bis zu Ihrer Volljährigkeit kaum am öffentlichen Leben teilnehmen konnte. Nach dem Tod ihrer Mutter, die sehr abenteuerlustig und Claras Vorbild war, ergreift sie die erste Chance auf ihr eigenes Abenteuer und tritt eine Arbeitsstelle als Botanikerin auf dem Anwesen Shadowbrook an.
Zu Beginn war ich noch sehr fasziniert von Clara und ihrer Familiengeschichte, doch leider erwies sich das Buch nicht gerade als Page-Turner.
Clara ist sehr direkt und stellt pausenlos Fragen, woran ihre Umgebung Anstoß nimmt. Die forsche Art von Clara wird durch ihre mangelnde Erfahrung mit gesellschaftlichen Gepflogenheiten zwar nachvollziehbar, sympathisch ist sie mir aber nicht. Ich empfinde sie schlicht als unhöflich und anstrengend. Zudem wird oft betont, wie intelligent sie sei, tatsächlich aber durchschaut sie die Vorfälle auf Shadowbrook zu keinem Zeitpunkt selbst und streitet die Wahrheit sogar bis kurz vor Schluss ab. Die Auflösung des ganzen Geheimnisses geschieht nur dadurch, dass eine Nebenfigur ihr Wissen nicht mehr für sich behalten kann und sich bereitwillig Clara offenbart. Gute Ermittlungsarbeit leistet sie nicht.
Aus ihrer Charakterentwicklung kann ich keinen persönlichen Gewinn ziehen, obwohl ihre Situation so viel Potential geboten hätte. Auch die weiteren Personen in ihrem Umfeld kamen mir nicht sonderlich nah, obwohl sich Mühe gegeben wird, ihnen ein Gesicht zu geben.
Die Handlung braucht über 200 Seiten, um in Gang zu kommen und bleibt durchgehend ohne Spannung. Die meiste Zeit erfährt man nichts Neues und es werden einem nur ab und an kleine Handlungshäppchen gereicht, um den Leser bei der Stange zu halten. Mir ist bis zum Schluss nicht klar geworden, warum diese Geschichte erzählt wird und welche Lehre ich daraus ziehen soll.
Loben möchte ich den anschaulichen, atmosphärischen Schreibstil, der mir ein gutes Gefühl für das Setting vermittelte.
Ich nahm mir etwas Zeit für meine Bewertung, nachdem ich zu Ende gelesen hatte. Es war eine schwere Aufgabe, mich auf eine Sternebewertung für dieses Werk festzulegen, denn die Erzählweise und die grundsätzlichen Ideen bezüglich der Geschichte und der Thematiken, die darin verarbeitet wurden, sagen mir wirklich sehr zu. Spuk, Krankheit, Botanik, Familiendramen und Dorftratsch in historischem Setting, wie hätte das schiefgehen sollen? Leider hat sich mein negatives Bild auch mit etwas Abstand nicht gewandelt. Die Frage, die sich mir stellt, ist: würde ich dieses Buch weiterempfehlen? Nach einigen Überlegungen würde ich sagen – eher nicht. Daher vergebe ich zwei Sterne.
Vielleicht stört sich der ein oder andere Freund von historischen Romanen und Schauergeschichten nicht an sehr ruhigen Erzählungen und kann einer Figur wie Clara mehr abgewinnen. Bei mir wird „Das Geheimnis von Shadowbrook“ leider wieder ausziehen.