Außergewöhnlich nuancierter Kleinstadt-Thriller

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berolina Avatar

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Ohne Umschweife entführt uns Lesley Kara in ihrem Debütroman "Das Gerücht" ins (fiktive) englische Küstenstädtchen, Flintstead-on-Sea. Wie es in kleineren Ortschaften wie diesem nun mal so ist, dominiert lokaler Klatsch und Tratsch sämtliche Gespräche.
Dass dahinter oftmals keine bösen Hintergedanken stecken, sondern ein einfacher Wunsch dazuzugehören, Teil des elitären "Clubs" zu werden, schildert Kara mit herausragender Menschenkenntnis, ohne zu urteilen oder zu billigen. Auch dem Thema des Gerüchts selbst- der Fall einer Kindermörderin bzw. eines Mörderkindes- nähert sich Kara in sehr sensibler Art und Weise. Sie zeigt Verständnis für die erhitzten Gemüter, die der Tod eines Kindes mit sich bringt und wie unmöglich Vergebung scheint, wenn die Medien einen nicht vergessen lassen. Gleichzeitig begreift sie, wie schwierig es ist, für einen jugendlichen Straftäter nach der Abbüßung einer Haftstrafe ins Leben (zurück) zu finden, eine neue Identität zu kreieren, eine komplette Vergangenheit für sich zu erfinden. In der Kreation der Charaktere und ihrer jeweiligen Hintergründe steckt so viel Empathie, so viel Fingerspitzengefühl, dass ich manchmal direkt vergaß, dass ich hier einen Thriller lese.
Es hat mir sehr imponiert, dass es hierbei nie um "Gut gegen Böse" geht, sondern die Geschichte greifbarer Menschen erzählt, deren unüberlegte Handlungen fatale Folgen mit sich ziehen.