Die Macht der Worte - Ein Spannungsroman

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marakkaram Avatar

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** "Nur aus Interesse", werfe ich ein, "hat eine von ihnen schon mal von Sally McGowan gehört?" **
Noch bevor sie richtig darüber nachdenkt, ist Joanna dieser Satz schon über die Lippen gerutscht. Dieses dumme Gerücht, dass die Kindermörderin unter einer neuen Identität in ihrer idyllischen Kleinstadt am Meer lebt, tritt eine Lawine los.
Als ich von diesem Buch hörte, hatte ich sofort die Geschichte einer englischen Kindermörderin im Kopf und von ihr findet sich auch tatsächlich viel in Sally McGowan wieder. Das hat es für mich noch authentischer und interessanter gemacht. Aber auch ganz ohne diesen Hintergrund ist "Das Gerücht" Spannung pur.
Die Story fesselt von der ersten Seite an und dabei fängt es recht harmlos an. Joanna ist mit ihrem Sohn Alfie in die Kleinstadt Flinstead gezogen, um ihm einen Neustart in der Schule zu ermöglichen. Aber auch hier schafft er es nicht so richtig Freundschaften zu schließen, denn es regieren die Mütter über Spielenachmittage, Einladungen zu Parties etc. Und so versucht sich Joanna wohl oder übel bei diesen Frauen beliebt zu machen und sei es - aus purer Verzweiflung - auch mit dem Befeuern eines Gerüchts....
Dieser Blick hinter die Kulissen, hinter das soziale Geflecht des Kleinstadtlebens ist Lesley Kara hervorragend gelungen. Mit Joanna kann sich wahrscheinlich jede Frau identifizieren. Sie ist nicht bösartig, im Gegenteil, sie hadert mit sich und versucht sogar noch Schadensbegrenzung zu betreiben, ist aber in gewisser Weise auch in ihrer Situation und Hilflosigkeit gefangen. Die Autorin schafft es, dass man ihr sehr nahe kommt, durch ihre ehrlichen Gedanken und Emotionen. Die Liebe zu ihrem Sohn und der mütterliche Beschützerinstinkt stehen im Vordergrund. Aber sie recherchiert auch viel über den Fall Sally McGowan, was die Autorin in Form von Zeitungsauschnitten und Online-Artikeln mit aufnimmt. Auf der anderen Seite gibt es auch immer wieder kurze Einschübe von Sally und ihre Gedanken zu dem was grade wieder geschieht.
Diese Stilmittel gepaart mit dem packenden Schreibstil der Autorin haben mir unheimlich gut gefallen. Die Spannung baut sich Seite um Seite immer mehr auf, die Atmosphäre verdichtet sich und irgendwann wird einem bewusst, dass man jeden kritisch beäugt und selbst Kleinigkeiten plötzlich ein unproportionales Gewicht bekommen.
Die komplette Geschichte ist einfach absolut spannend aufgebaut und überrascht mit so mancher Wendung. Selbst auf der heißesten Spur, gab es noch die ein oder andere Überraschung, ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Und damit hat man mich ja.
Fazit: Ein Spannungsroman, der es in sich hat und sich zu einem absoluten Pageturner entwickelt. Aber auch ein Buch, das zum Nachdenken anregt, über Mobbing, Verleumdung, die Macht von Worten und Neuanfänge.