Wenn Worte töten können

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kleincaro89 Avatar

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Dass Taten mehr sagen als 1.000 Worte ist bekannt. Doch oft genügen auch wenige Worte, um etwas Verhängnisvolles ins Rollen zu bringen.
So geschieht es in der englischen Kleinstadt, in die sich Joanna mit ihrem Sohn Alfi aus dem Londoner Dschungel geflüchtet hat und in der sie im Beisein ihrer Mutter einen neuen Lebensabschnitt beginnen möchte. Es scheint der perfekte Ort zu sein, um neue Anknüpfungspunkte zu finden und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, auch wenn es Anlaufschwierigkeiten gibt. Doch dann hört Joanna vor der Schule von anderen Müttern das Gerücht, dass Sally McGowan im gleichen Ort leben soll, in den es sie nun verschlagen hat. Sally McGowan, die als Zehnjährige den Bruder einer Freundin umgebracht haben soll, die verurteilt und wieder entlassen wurde, die durch Zeugenschutzprogramme untergetaucht ist und nun irgendwo unerkannt lebt. Unbewusst und ohne sich möglichen Auswirkungen bewusst zu sein, erzählt Joanna dem Buchclub von dem Gerücht. Doch da ahnt sie noch nicht, was es bedeuten kann, ein Gerücht in einer Kleinstadt in die Welt zu setzen.

Das Buch wird auf dem Cover als Roman angepriesen, doch liest man die Inhaltsangabe, könnte der Leser einen Thriller erwarten. Ist das Buch komplett durchgelesen, kommt man zu dem Schluss, dass es beides sein kann. Es liegt irgendwo dazwischen. Ein Roman mit einer enormen Spannung oder ein Thriller, der Luft nach oben hat. Dennoch kann eins gesagt werden: es ist spannend.

Bereits das Cover bereitet den Leser auf etwas vor. Ein einsames Haus, hinterlegt von einem düsteren Himmel, der bedrohlich auf das verfallene Haus und die gesamte Situation hinabzublicken scheint. Sowohl verheißungsvoll als auch ansprechend wird dem Leser bereits hier vermittelt, auf was er sich einstellen muss, sollte er den Buchdeckel aufklappen.

Das Buch beginnt mit einer Einschätzung der vermeintlichen Sally McGowan – sie weiß schon vorher was passiert, sie weiß, wie es ist, die weiß, was sie erwartet. Doch es wird nichts an der Situation ändern. Prompt wird der Leser eingestimmt auf das, was passieren könnte, auch wenn er zu dieser Zeit noch nicht weiß, was auf ihn zukommen wird.
Erst auf den nächsten Seiten, auf denen dem Leser der Hauptcharakter Joanna präsentiert wird, taucht der Leser vollends in die Situation, die Gegebenheiten, die Umgebung und das Leben in der englischen Kleinstadt ein. Dabei findet er sich zwar schnell in der Geschichte wieder, als wäre er hineingeworfen worden, doch Joanna schafft es, den Leser mitzunehmen in den Alltag, während die Autorin bildliche Beschreibungen liefert, mit Emotionen schildert und dennoch zunächst objektiv bleibt. Auch wenn man von der Ich-Erzählerin Joanna wenig als Person selbst erfährt, erfährt man umso mehr über die Lebensumstände, ihre Situation und vor allem über die Situation ihres Kindes. Entsprechend persönlich wirkt das Buch, während sich schleichend das Böse auf leisen Sohlen anschleicht.
Denn es passiert nicht wirklich etwas. Das Gerücht, das gestreut wurde, pflanzt sich in den Alltag ein, wird herumgetragen und verbreitet sich schneller. Es waren nur Worte, doch entwickeln sie ein Eigenleben. Drohungen, Einschüchterungen und Anfeindungen sind an der Tagesordnung, doch ist es die psychische Ebene, auf die die Autorin hier anspielt und beim Leser den wunden Punkt sehr gut trifft.
Und diese Spannung im Buch und durch die Seiten hinweg wird aufrechterhalten, hat Höhepunkte und lässt wieder nach, doch ist die ansonsten stetig vorhanden und fast greifbar. Diese Tatsache und der flüssige Schreibstil der Autorin verursachen beim Leser ein Gefühl der Heimat und der Zugehörigkeit, sodass der Leser die Geschichte aufmerksam verfolgt und erst zufrieden ist, als er die Wahrheit kennt.