Erst faszinierend, dann enttäuschend.

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Viele gute Ideen, schlecht umgesetzt.
Solomonica de Winter hat einen Master in Fiction Writing also im Schreiben von Belletristik. Das merkt man vom Anfang bis zum Ende. Sie hat die Techniken, sie hat das Wissen, aber sie macht zu wenig daraus.

Mein erster Eindruck nach 50 Seiten Leseprobe fiel noch recht positiv aus:
"Eine sehr ungewöhnliche Umsetzung eines postapokalyptischen Settings. Zerstörte, unbewohnbare Kontinente, kleine Fleckchen gemäßigten Klimas dazwischen. Verlorenes Wissen, neue Ordnung und Lebensgemeinschaften innerhalb und außerhalb von Städten (= Nationen?).
Und mittendrin eine Mutantin (Strahlenopfer?)..."

Nachdem ich nun das Ende erreicht habe, bleibt leider nicht viel Positives.
Die neue Ordnung mit neuen Gesetzen spielt kaum eine Rolle, obwohl die Gesetzestexte in voller Länge ausformuliert werden. Ginge es nach diesen, wäre die Geschichte nach dem ersten Viertel für die Mutantin zuende gewesen.
Auch alles was danach kommt - ich möchte nicht spoilern, deshalb so allgemein - wäre unter Beachtung der Gesetze nicht möglich gewesen.
Dafür dass bis zum Auftauchen der Mutantin offenbar minutiös die Gesetze eingehalten worden sind, ignoriert die gesamte verbliebene Nordamerikanische Welt diese sehr plötzlich sehr konsequent.

Nun würde ich das noch verkraften können, würde de Winter die handelnden Personen irgendwie greifbar ausmalen und ihre Beweggründe nachvollziehbar machen. Das tut sie nicht. Alles und jeder wird aus einer urteilenden allwissenden Erzählerperspektive geschildert. Häufig werden Ausblicke gegeben, wie Dinge sich in der Zukunft entwickeln werden. Manche davon finden noch im Text des Romans statt, andere nicht. Das lässt auch darauf schließen, dass Gaias Geschichte mit dem Ende des Buchs nicht zuende erzählt ist.

Die in anderen Rezensionen oft kritisierte Langatmigkeit entsteht für mein Empfinden aus ellenlangen Beschreibungen von allem Möglichen, ohne dass Motivationen der Akteure greifbar werden würden, und ohne dass ausreichend Spannung aufgebaut werden würde.
Selten habe ich für einen Roman soviel Zeit investieren müssen wie für diesen.

Fazit:
Ich wüsste nicht, wem ich diesen SciFi-Mittelalter-Fantasy-Roman guten Gewissens empfehlen könnte. So interessant die Themenkonstellation gewählt ist und so vielversprechend der Start ist, so enttäuschend ist leider das Gesamtwerk und insbesondere die letzten 100 Seiten, die man ohne viel zu verpassen auch überspringen könnte.
2 von 5 Sternen