Gelungene Klassikervermittlung

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Begegnet man im (fortgeschrittenen) Erwachsenenalter einem Klassiker seiner Kindheit, gibt es Chancen und Risiken, wie man das Werk nach so langer Zeit wahrnimmt. Was überwiegt denn bei Henrik Albrechts Ausgabe von Oscar Wildes „Das Gespenst von Canterville“?

Obwohl vermutlich hinlänglich bekannt, sollte kurz umrissen sein, worum es in der Geschichte geht: Als eine amerikanische Familie in Schloss Canterville einzieht, trifft sie dort auf ein trauriges und etwas ungeschicktes Gespenst. Angst verbreitet das Gespenst keine, vielmehr hat es eher welche – und das nimmt die jüngste Tochter der Familie wahr. Sie nimmt sich seiner an …

Diese Version der von Wilde für jede Altersklasse gedachte Geschichte zielt auf eine Zielgruppe ab 5 Jahren. Für sie ist dieses Buch auch ein echter Glücksfall: So kann und sollte Vermittlung klassischer Inhalte beginnen, denn der (wesentliche) Inhalt kommt rüber, wunderschöne Illustrationen laden zum Verweilen im Buch ein – und durch die CD bekommen die Kleinen auch akustische Anker zum Inhalt. Es findet eine kindgerechte Annäherung an wichtige Themen (Ängste, zuhören, nicht immer sind Erwachsene und ihre „Methoden“ auf dem richtigen Weg, sondern gerade Kinder, es gibt fast immer Lösungswege) statt und Wildes Spiel mit Traditionen kommt auch rüber (Ironie, weil nicht der Mensch, sondern das Gespenst Angst hat – und zusätzlich, dass Amerikaner sich nicht von den „alten Geschichten“ der Briten beeindrucken oder abschrecken lassen). Einmal mehr wurde mir beim Lesen klar, wie vorausschauend viele Klassikertexte doch waren und wie wenig sie ihre Aktualität verlieren – auch heute noch sollten wir uns erst selbst ein Bild machen, bevor wir werten. Mir gefiel die Vertonung etwas weniger, aber das kann man wohl unter Geschmackssache verbuchen. Tolles Geschenk für Kinder, aber evtl. auch für den einen oder anderen Erwachsenen.