Haltet Ausschau nach den Träumern

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Ich danke Ihnen schon jetzt von ganzem Herzen, Sir, wollte er erneut sagen. Und am liebsten hätte er gesagt, wenn Sie mir diesen Job geben, werde ich der beste Chauffeur sein, den Sie je hatten. Er sagte nichts; er durfte nicht zulassen, dass seine Verzweiflung durch die eierschalendünne Schicht Würde brach, die ihn während des Vorstellungsgesprächs geschützt hatte. Clark lächelte und legte ihm kurz die Hand auf den Arm."

Vielleicht ist es diese "eierschalendünne Schicht Würde" die den erfolgreichen Banker Clark Edwards dazu bewegt den afrikanischen Immigraten Jende als Chauffeur einzustellen. Das Vorstellungsgespräch des jungen Mannes aus Kamerun in der glänzenden Hochburg des Bankhauses Lehman Brothers markiert den Einstieg zu einem Romandebüt, das aktueller nicht sein könnte, obwohl die Geschichte in der Zeit um den ersten Wahlsieg Barack Obamas und die Pleite des Bankhauses angesiedelt ist.

Zwei Welten prallen hier aufeinander. Auf der einen Seite die junge afrikanische Familie Jonga. Jende ist mit einem Flugticket, dass ihm sein Cousin spendiert hat, schon vor einigen Jahren nach New York gekommen. Vor 18 Monaten hatte er genügend Geld zusammengespart um auch auch seine Frau Neni und den 6jährigen Sohn Liomi nachkommen zu lassen. Doch noch immer ist die Familie illegal in den USA. Jendes Asylantrag läuft zwar, aber die Aussichten des jungen Mannes sind schlecht. Denn außer wirtschaftlichen Gründen, gab es für Jende keinen Grund seine Heimat Kamerurn zu verlassen. Es ging ihm dort, trotz seiner Armut, gut. Er liebt seine Heimat, hat dort für seine Frau und seinen Sohn aber keine Zukunft gesehen. Diese will er sich in Amerika erarbeiten.

Der Job als Chauffeur bei der superreichen amerikanischen Vorzeigefamilie Edwards scheint die Eintrittskarte für die Erfüllung dieses Traumes zu sein. Jende erhält ein gutes Gehalt, die Arbeit ist zwar zeitintensiv aber körperlich nicht anstrengend. Seine korrrekte, zuverlässige Art und die grenzenlose Loyalität machen ihn bald zu einem gefragten Gesprächspartner, nicht nur seines Chefs sondern auch von dessen Frau Cindy und den beiden Söhnen Vince und Mighty. Je länger er die Familie jedoch kreuz und quer durch New York fährt, desto mehr blickt er hinter eine Fassade, die nur nach außen glänzt.

Imbolo Mbue ist eine großartige Erzählerin. Sie beschränkt sich in der Perspektive auf Jonde und Neni. Was zum einen schade ist, denn die Figur der Cindy (in ihrer Tragik) wäre sicher eine sehr interessante Perspektive gewesen. Zum andern ist es aber gut, denn so verzettelt sich die Autorin nicht. Imbolo Mbue stammt selber aus Limbe in Kamerun. Sie weiß sicher aus eigener Erfahrung wie es ist, in einem fremden Land Fuß zu fassen. Zu studieren wie Neni. Ständig Geldsorgen zu haben und vor allem nicht sicher zu wissen, ob man am Ende bleiben darf. Warmherzig, spannend und verständnisvoll schildert sie das Leben der jungen Familie. Beschreibt wie schwierig der Spagat zwischen den Wurzeln und Traditionen der alten Heimat und den Anforderungen der neuen Heimat ist.

Während einer Fahrt sagt Jende zu seinem Chef: "Schauen Sie mich an, Mr Edwards. Wie ich Sie hier in diesem schönen Auto fahre. Sie reden mit mir, als ob ich wer bin, und ich sitze hier auf dem Fahrersitz, als ob ich wer bin.« Am Ende des Romans weiß man als Leser sehr genau, worauf es ankommt „wer zu sein“. Imbolo Mbue hat mit „das geträumte Land“ ein wunderbares Romandebüt geschrieben. Unzählige Passagen sind es wert, angestrichen und hervorgehoben zu werden. Mit ihrer einfachen Sprache schafft sie es große Weisheiten, leicht und verständlich zu machen. Sie ist einer der Autorinnen mit der Gabe den Vorhang vor den Rätseln des Lebens zumindest anzuheben um ihre Leser einen kurzen Blick auf das große Ganze werfen zu lassen. So wie es der Titel im Original sagt: „Behold the Dreamers“. Haltet Ausschau nach den Träumern. Es lohnt sich!