Wenn patriarchalische Engstirnigkeit alles zerstört

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ismaela Avatar

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Nirgendwo prallen Arm und Reich so offen aufeinander wie in New York City. Auf der einen Seite die Superreichen mit ihren Hausangestellten, die ihnen jegliche Arbeit abnehmen, in ihren Palästen und Wochenendhäusern in den Hamptons. Und auf der anderen Seite die Armen, die sich in kakerlakenverseuchten Rattenkäfigen ein Leben zwischen Maloche und Existenzminimum einrichten müssen, der knurrende Magen und die schmerzenden Knochen als ständige Begleiter.
Diese beiden Welten verkörpern auch Jende Jonga, Immigrant aus Kamerun, und Clark Edwards, reicher Investmentbanker bei Lehman Brothers. Beide begegnen sich, als sich Jende um einen Job als Chauffeur bei Edwards bewirbt, und diesen heiß begehrten Arbeitsplatz auch tatsächlich bekommt. Doch die Pleite der Lehman Brothers macht beiden einen Strich durch die Rechnung.

Die Familie Jonga, bestehend aus Jende, seiner Frau Neni und dem kleinen Sohn Liomi, lebt in Harlem, hofft auf ein besseres Leben im „großartigen Amerika“ und bauen darauf, dass durch den relativ guten Arbeitsplatz von Jende dessen Asylgesuch stattgegeben wird. Seine Frau möchte Apothekerin werden, hält sich mit ihrem Studentenvisum nicht illegal im Land auf und gehört zu den intelligentesten in ihrem Semester. Beide haben sich in ihrer Welt eingerichtet und arbeiten hart, um ihr Ziel zu erreichen. Als ein zweites Kind kommt, verbietet Jende seiner Frau weiter zu studieren, obwohl dies ihren Aufenthaltsstatus gefährden könnte. Aber Frauen gehören nun mal ins Haus zu den Kindern.

Die Clarks wiederum leben ein Leben nebeneinander her; die Ehefrau Cindy ist eine verzweifelte, depressive Frau, die durch ihre schwere Vergangenheit gezeichnet ist und sich nicht aus der daraus resultierenden Rolle freimachen kann, während ihr Mann von früh bis spät arbeitet und kaum noch Zeit für die Familie hat. Dies wird ihm auch immer wieder vorgehalten, doch er ist der Meinung, der hohe Lebensstandart seiner Familie, der seiner Arbeit zu verdanken ist, ist Liebesbeweis genug. Zwar bricht durch das Platzen der Finanzblase das Unglück über die Familie herein, doch haben sie zumindest in finanzieller Hinsicht nach wie vor ein sicheres und reißfestes Netz.

Nicht so die Jongas. Als Jende seinen Job als Fahrer verliert, stürzt er in ein emotionales Loch, und trifft eine folgenschwere Entscheidung. Ist er anfangs noch der liebevolle Vater und liebenswerte Angestellte, bricht im Laufe der Geschichte zunehmend sein männerorientiertes Weltbild durch, das er von zu Hause, von Kamerun, kennt. Solange er nicht fähig ist, genügend Geld zu verdienen, möchte er auch nicht länger in den USA bleiben, auch wenn seine Frau Neni diesen Part übernehmen und nach wie vor mit ihrem Studendenvisum im Land bleiben könnte. So dreht sich irgendwann alles nur noch um seine Bedürfnisse, während Neni verzweifelt. Doch letztendlich ordnet sie sich ihrem Mann unter.

Imbolo Mbue hat einen wundervollen Schreibstil; sie erzählt so gekonnt und flüssig, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Mit großer Wärme und Kenntnis zeichnet sie ihre Figuren, mit denen der Leser die ganze Geschichte hindurch mitfiebert. Leider hat mich der Schluss dann doch etwas vergrämt, weil durch die patriarchalische Engstirnigkeit von Jende der Lebenstraum seiner Frau zerstört wird. Trotzdem ist dieses Buch ein kleines Juwel für alle, die einem wirklich tollen Lesegenuss frönen wollen.