Das gläserne Meer: Eine außergewöhnliche Dystopie

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yellowdog Avatar

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Beeindruckend mit welcher Kraft und Einfallsreichtum Josh Weil seinen komplexen Roman gestaltet hat. Und es ist erstaunlich, dass ein US-amerikanischer Autor die Handlung seines Romans in Russland ansiedelt. Doch im Nachwort verrät Josh Weil, dass er als Jugendlicher durch einen Schüleraustausch in der Sowjetunion war und das ihm die Erlebnisse dort zu diesem Werk inspirierte. Seine Version von Russland ist allerdings in vielen Details fiktiv, ohne dass es dadurch gleich zu einer Alternativweltgeschichte wird.

Von Josh Weil kannte ich bisher nur seine hervorragende Novelle "Herdentiere", ebenfalls bei Dumont erschienen. Das gläserne Meer unterscheidet sich meiner Meinung nach deutlich davon.

Sprachlich ist das Buch ein Leckerbissen. Die originelle Umgebung und die erzählerischen Einfälle schaffen eine eigene Atmosphäre. Die Idee mit dem neuartigen Gewächshaus Oranzeria ist grandios. Künstliches Glas und eine Reihe von kreisenden Raumspiegeln macht aus der Stadt Petroplavilsk ein riesiges Gewächshaus und verändert das Leben seiner Bewohner, die keine Nacht mehr kennen.
Die Zwillinge Jarik und Dima sind zwei sehr unterschiedliche Charaktere, die ich aber beide interessant fand. Beide arbeiten sie in Oranzeria, aber schließlich bewegen sie sich in entgegengesetzte Richtungen. Doch ihre Beziehung zueinander bleibt wichtig und eng bis zum Finale kurz nach der Beerdigung ihrer Mutter Ende des Buches.

Der Autor scheut sich auch nicht, in manchmal langen Sätzen detailreich zu erzählen. Die stimmigen Dialoge tragen dazu bei, dass es immer gut lesbar bleibt, obwohl manche Passagen schon eine Herausforderung waren. Schließlich ist es ein hochkonzentriertes Werk, vielleicht etwas zu lang!

Unbedingt erwähnenswert ist noch die aufwendige Umschlagillustration von Joe Wilson.

Fazit: Die langjährige Geschichte einer schwierigen Bruderbeziehung. Ein außergewöhnliches Buch von einem Autor, bei dem man gespannt sein kann, was er noch alles schaffen wird. Nach diesem Buch darf man viel erwarten. Einen Preis hat er für dieses Buch auch schon gewonnen: Den GrubStreet Book Prize in Fiction 2015.