Roman mit deutlichen Längen

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kainundabel Avatar

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Sie sind unzertrennlich, die Zwillinge Dima und Jarik. Nach dem Tod des Vaters wachsen sie auf dem Hof des Onkels auf, erleben gemeinsam die erwachende Abenteuerlust und tauchen ein in die fantastische Welt der russischen Märchen und Mythen. Auch als Erwachsene bleiben sie eng miteinander verbunden, arbeiten sie doch beide in der Oranzeria, Gewächshäuser gigantischen Ausmaßes, die selbst des Nachts mit Hilfe von Spiegeln im Weltall sonnenbeschienen sind und so ihre Produktivität erhöhen. Die Lebensentwürfe der Brüder differieren aber: Während der Realist Jarik in einer Familie mit Frau und zwei Kindern lebt, teilt der Träumer Dima Leben und Wohnung mit seiner Mutter. Er kann nicht verstehen, dass Kind, Frau, Geliebte „einen am Ende glücklicher machen sollte, als man am Anfang gewesen ist.“ Er träumt davon, eines Tages mit seinem Bruder gemeinsam den Hof ihrer Kindheit zu bewohnen. Jarik macht unterdessen Karriere, passt sich den Gegebenheiten an, denen Dima nichts abgewinnen kann. Die enge innere Verbundenheit und die äußere Entfremdung begleitet Josh Weil mit großer Empathie und seinen profunden Kenntnissen russischer Lebensweise, Mentalität und Kultur.
Doch darin liegt zugleich die Crux: Trotz des ausgezeichneten Erzählstils gibt es einfach zu viele Längen im Roman. Man gewinnt den Eindruck, als wolle der Autor all sein detailliertes Wissen unbedingt in der Handlung unterbringen. Das aber hemmt den Handlungsfortgang und lässt den Leser nicht selten in Langeweile und Langatmigkeit verharren. Ich mag durchaus anspruchsvolle Romane, durch die man sich „beißen“ muss. Hier aber stellte sich allzu oft die Versuchung ein, nicht mehr weiterlesen zu wollen. Dass ich dennoch bis zum Ende durchgehalten habe, ist einfach dem wunderbaren Sprachstil geschuldet. Kurz: Eine deutliche Straffung hätte der Geschichte gut getan, ebenso ein Glossar, das Auskunft gibt über die Bedeutung russischer Begriffe, die sich nicht unbedingt aus dem Zusammenhang erschließen lassen.