Olmi ist eine präzise Beobachterin

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Die Begegnung einer Frau und eines Mannes aus grundverschiedenen Milieus führt zu einer kurzen, heftigen Affäre beider. Von Suzanne, der Klavierstimmerin, und dem Pariser Immobilienmakler Serge würde mancher nur eine rein geschäftliche Beziehung erwarten. Auf ihr erstes flüchtiges Zusammentreffen im Hausflur folgt eine weitere zufällige Begegnung, die Suzanne für Serge zur Obsession werden lässt. Die Assoziation zur „Verstimmung“ im Leben der beteiligten Paare liegt nahe. Auch wenn Olmis Erzählperspektive mitten im Kapitel überraschend aus der jeweiligen Ichform ausbrechen kann, arbeitet sie inhaltlich mit recht gewöhnlichen Versatzstücken aus dem Leben großstädtischer Paare. Distanz scheint das dominierende Merkmal in der Beziehung zwischen Suzanne und ihrem Mann Antoine zu sein. Auch Serge, der 30 Jahre älter ist als seine Frau, lebt gesellschaftlich und in seiner Beziehung diese Distanz. Serge und Lucie haben nicht einfach Gäste, sie organisieren Soireen oder Diners. Die Geschehnisse und Obsessionen hinter den Wohnungstüren schildert Olmi in präzisem, kühl beobachtendem Ton, der einen als Leser auf der Hut sein lässt. Das Klavier erweist sich in Serges Familie nicht nur als Katalysator der Ereignisse sondern als Verbindung zum Kind, das Serge vor langer Zeit einmal war. Als würden beim Öffnen einer Schachtel immer weitere Schachteln in abnehmender Größe zum Vorschein kommen, wird Serge vom älteren Mann zum verlassenen Kind Sergio, schließlich wieder zum erwachsenen Sohn eines hochbetagten Vaters. Serges Rückkehr in seine Kindheit führt von der rauschhaften Liebe eines ungleichen Paares zu einer in Roman und Psychologie-Lehrbuch bereits häufig demonstrierten Familiensituation. Wie unter Zwang muss Serge Suzanne seine Geschichte erzählen und ruft bei mir damit die Vorstellung hervor, beide Frauen sollten sich im eigenen Interesse zügig von ihrem egoistischen Liebhaber befreien.

„Das Glück, wie es hätte sein können“ hat mich trotz der Sprödigkeit der kunstvoll konstruierten Geschichte eher sprachlich durch Suzannes aufmerksamen Blick auf ihre Umwelt begeistert.