Wenn ein Moment alles verändert

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mittelhessin Avatar

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Zwei Menschen begegnen sich, eher aus Zufall. Mitten in Paris. Zwei sehr unterschiedliche Menschen, aus unterschiedlichen Verhältnissen. Es ist nur ein Moment, ein kurzes Aufeinandertreffen an der Haustür, doch man ahnt, dass dieses flüchtige Treffen nicht folgenlos bleiben wird, auch wenn sowohl Serge, der erfolgreiche und offenbar gut betuchte Immobilienmakler als auch Suzanne, die Klavierstimmerin aus eher einfachen Verhältnissen, jeweils in einer eigenen und scheinbar intakten ehelichen Beziehung sind. Sein bisheriges Leben erscheint wie aus einem Bilderbuch: Ehe mit einer wunderschönen und viel jüngeren Frau, zwei wohlgeratene Kinder, ein tolles Haus, Erfolg im Job - Serges Leben scheint perfekt zu sein. Nur die rätselhaften Migräneanfälle und seine Aversion gegen das Klavierspiel seines Sohnes, versehen mit leisen Andeutungen, weisen darauf hin, dass hinter der makellosen Fassade etwas verborgen ist.

Suzanne hingegen führt ein von Routine geprägtes Leben ohne Höhen und Tiefen, was auch auf ihre Ehe mit Antoine zutrifft. Viel erfährt man nicht aus dem Leben von Suzanne, erst ganz zum Schluss wird erwähnt, dass sie aus einer Fischerfamilie stammt und immer Pianistin werden wollte. Eine unerreichbare Welt und so erlernt sie den Beruf der Klavierstimmerin und scheint damit zufrieden zu sein, in sich stark und ausgeglichen.

Erst beim zweiten zufälligen Treffen in einer Bar ist Serge so von Suzanne emotional gepackt, dass er am nächsten Tag vor ihrer Wohnung auf sie wartet. Die Anziehungskraft zwischen Serge und Suzanne ist magisch, wenn auch etwas unverständlich. Serge möchte von Suzannes Stärke partizipieren, wer sie wirklich ist und woher sie kommt, ist ihm nicht wichtig. Man kann schon durchaus eine egoistische Neigung bei Serge erkennen, wenn er Zuflucht bei Suzanne sucht, denn es geht ihm in erster Linie darum, aus seinem Umfeld und seinen Erinnerungen zu fliehen. Suzanne hingegen interessiert sich dafür, was Serge belastet - sie bringt Serge mit ihrer einfachen, klaren und direkten Art dazu, sich endlich seiner Vergangenheit zu stellen. Sie bringt ihn dazu, über seine Kindheit zu sprechen - die er selbst bis zu diesem Zeitpunkt konsequent verborgen hat und vergessen wollte und über die er in seinem bisherigen Leben noch mit niemandem gesprochen hat. Doch die Auseinandersetzung mit dem damaligen Geschehen bringt der verletzten Seele von Serge keine Erleichterung. Danach ist nichts mehr wie es einmal war - selbst die Liebe zwischen Serge und Suzanne kann diesem Prozess nicht standhalten. Diese bittersüße Erkenntnis führt auch beim Leser zum Nachdenken, dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint, wenngleich auch das Ende des Buches ein gewisses Stirnrunzeln zurück lässt.