Feinfühlig und präzise

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druckdeufel Avatar

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Arno Geiger schreibt über Arno Geiger. Dabei kommt ein Buch heraus, das viel über ihn preisgibt, auf eine schonungslose, entblößende Art, eigentlich unspektakulär (auch „das Geheimnis“ ist eigentlich unspektakulär), und doch ist es mehr als interessant. Es ist spannend.
Der Autor gesteht, dass er lange Jahre seines Lebens in Papiercontainern nach Brauchbarem suchte. Dass er Bücher, Zeitschriften, Briefe, Tagebücher barg und verwertete. Während Bücher auf dem Flohmarkt ganz profan zum Lebensunterhalt beitrugen, ermöglichten ihm Briefkonvolute und Tagebücher Einblicke in die menschliche Existenz, wie sie im normalen Umgang völlig unmöglich zu gewinnen sind. Ein unermesslicher Schatz für einen Schriftsteller, der sich für nichts so interessiert wie für Menschen.
Das zumindest behauptet Geiger. Doch es gibt noch etwas, das ihm kompromisslos wichtig ist. Das ist die Verknüpfung von Denken und Sprache. Da ist in unentwegt Ringen um Exaktheit zu spüren, als würde jeder einzelne Gedanke eingehend beäugt, geradezu betastet, ehe ihm Worte zugewiesen werden. Gleichwohl wirkt das Geschriebene keinesfalls kompliziert, schwer verständlich oder angestrengt, sondern „nur“ wahr und tief. Und zwar so wahr und tief, dass es glücklich macht, es lesen zu dürfen.
Er schreibt über sein Versagen und seinen Erfolg, seine Liebe, seine Eltern, sein Innerstes, häufig greift er Dinge auf, die zuvor schon Erwähnung fanden. Das könnte sich als Wiederholung empfinden lassen. Tut es aber nicht. Denn immer wird etwas Neues hinzugefügt. Immer überrascht eine andere Sichtweise, eine Erweiterung, eine Verknüpfung. Weit erhebt sich das Werk über das Ansinnen, bloße Autobiografie zu sein.
Schwierig, nach diesem Buch ein anderes zu lesen. Die Messlatte, was sprachliche Präzision in Einheit mit sensibler Weltwahrnehmung angeht, dürfte kaum erreichbar sein.
Wer also Freude an ebenso kritischer wie poetischer sprachlicher Auseinandersetzung mit dem Leben hat, der darf sich dieses Kleinod nicht entgehen lassen.