Lebenslinien

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Durch das Buch "Unter der Drachenwand" bin ich vor einigen Jahren auf den Schriftsteller Arno Geiger aufmerksam geworden. Besonders angetan bin ich von seiner Art zu schreiben, seiner enormen Beobachtungsgabe, die sich dennoch nicht in Details verliert und seinen klaren, gut verständlichen Sätzen.
Für mich teilt sich die Geschichte "Das glückliche Geheimnis" in zwei Teile. Im ersten Teil geht es um sein geheimes Leben, nämlich die regelmäßigen Touren durch Wien, in denen er nach entsorgten Schriftstücken in Altpapiercontainern sucht. Diese Briefe und Tagebücher von Wildfremden geben ihm viel Material für seine eigenen Bücher. Gleichzeitig geht es um das Erwachsenwerden und das "Ins Leben finden" eines jungen Mannes mit allen Höhen und Tiefen, die nun mal dazugehören. Ich finde diesen Teil der Geschichte sehr intim und weiß nicht recht, ob es eine derartige "Nabelschau" braucht.
Ganz anders die zweite Hälfte. Nachdem der junge Mann erwachsen geworden ist, dreht sich die Geschichte auch um die Menschen in seinem Umfeld, mit denen er es nicht leicht hat. Eine emanzipierte Partnerin, ein demenzkranker Vater und eine Mutter, die nach einem Schlaganfall versucht, wieder ins Leben zurückzufinden. Das alles sind Themen, die einen in der Lebensmitte beanspruchen, und die Arno Geiger meiner Meinung nach souverän bewältigt. Nicht zuletzt durch die Freiheiten, die ihm sein Beruf gewährt.
Insgesamt ein gelungenes Werk, besonders seine philosophischen Betrachtungen zu den unterschiedlichsten Themen.