Quadratur des Kreises

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constanze_pachner Avatar

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"Frühmorgens bricht ein junger Mann mit dem Fahrrad in die Straßen der Stadt auf. Was er dort tut, bleibt sein Geheimnis. Zerschunden und müde kehrt er zurück. Und oft ist er glücklich. Jahrzehntelang hat Arno Geiger ein Doppelleben geführt. Jetzt erzählt er davon." (Klappentext)

Arno Geiger thematisiert in 'Das glückliche Geheimnis' an seinem Werdegang, an seinem Doppelleben gesellschaftliche Zwänge, die einem unentwegt eintrichtern, dass eine Identität einer beruflichen Definition bedarf, einer klaren Zugehörigkeit zu einer bestimmten, allseits akzeptierten Berufsgruppe, die dir dein Dasein legitimiert. Was eine identitätsverzerrende Sackgasse der Gesellschaft! Erfreut vernehme ich aber mittlerweile in der Luft einen kreativen Hauch, der diese Zwänge dezent versucht zu verwehen.

Ein anrührender Klang in der Stimme mit Ausdrücken wie geistige Stahlblitze, die kitzelnd beleben, durchziehen diese ganz persönliche Erzählung. Faszinierend ehrlich, voll melancholischer Ausgeglichenheit beschreibt er den Weg dahin, begriffen zu haben, dass das Schreiben sich nicht nur mit Sprache auseinandersetzt, sondern eine schmerzhafte Entblößung sowohl nach innen als auch nach außen verlangt.

Ich glaube, alle Schriftsteller brauchen diese 'Quadratur des Kreises', wovon Arno Geiger spricht, einen körperlichen Ausgleich - was auch immer dieser sei -, der das Schreiben nicht nur erhält, sondern es pulsiert - Gedanken, Gefühle, Wörter, Sätze, Blicke aufkeimen lassen, die dann aus allen Poren auf das Papier triefen wollen. Wie gut, dass es sie gibt - sie schenken den Lesenden durch ihre Bücher eine unersetzbare magische Kraft:

"Durch Lesen verkürzen wir unsere Lebenszeit nicht, wir verlängern sie. In wenigen Stunden können wir die Erfahrungen nachvollziehen, die ein anderer Mensch in Jahren oder Jahrzehnten gemacht hat. Wir gewinnen Erfahrung im Zeitraffer." 228