Wann beginnt das richtige Leben?

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an_der_see Avatar

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Ein neuer Roman von Arno Geiger erscheint und die Fangemeinde jubelt, die Kritiker sind voll des Lobes. „Das Glückliche Geheimnis“ heißt sein neuer Roman oder soll ich eher schreiben seine Biografie? Denn man kann es nicht genau wissen, wie viel Biografisches dieses Buch enthält oder ob letztendlich nicht doch das meiste Fiktion ist.
Arno Geiger erzählt in diesem 236 Seiten umfassenden Werk über seinen Weg zum Schriftsteller. Lässt den Leser an seinen schriftstellerischen Anfängen teilhaben. Nimmt ihn mit auf seinen wöchentlichen Runden durch Wien, auf denen er Bücher, Tagebücher, weggeworfene Aufzeichnungen sammelt, um diese dann wieder zu verkaufen. Der Leser taucht in die Beziehungswelt des Schriftstellers ein, lernt seine Eltern kennen, wird durch dessen Leben manövriert. Erfährt von Niederlagen, Herausforderungen, Verzweiflung, Krankheit, Trennungen, Erfolgen. Das sind alles Themen die mich sehr interessieren. Wie kommt jemand zum Schreiben? Was empfindet er beim Schreiben? Wie geht er mit Niederlagen um? Wann und warum fühlt er sich irgendwann in seinem Leben angekommen? Warum trennen sich Paare und warum finden zwei Menschen zueinander? Wie erlebt man es, wenn die Eltern krank, hilfe – und pflegebedürftig werden?
Man möchte meinen, dass ich mich in die Reihen der Lobenden begebe, habe ich doch gerade erwähnt, dass mich die Themen in diesem Buch sehr interessieren. Ich kann es leider nicht. Eigentlich kann ich dieses Buch weder loben und empfehlen, noch das Gegenteil. Ich habe das schon bei früheren Büchern von ihm bemerkt und bei „Das Glückliche Geheimnis“ wieder. So sehr mich seine Themen interessieren, so sehr spricht mich die Art und Weise wie er schreibt nicht an. Es wird so oft gesagt, dass Arno Geiger tief hinein in die Charaktere geht, ausführlich darstellt, die Psyche ergründet. Ich finde seine Texte und besonders „Das Glückliche Geheimnis“ zu perfekt. Das ist ein Text dem man das Feilen an den einzelnen Wörtern anmerkt, das häufige Korrigieren, das Nachgrübeln über das richtige Wort. Dieser Roman hat keine Ecken und Kanten. Ich hatte beim Lesen ständig das Gefühl ich würde an den Zeilen abrutschen, wie an einer Teflonschicht. Der Roman ist interessant, aber er berührte mich nicht, sprach mich emotional nicht an. Die Charaktere blieben für mich leblos und irgendwie kalt, das Perfekte dieses Textes ließ mich zwischendurch frösteln. Mir fehlte die Wärme in seinen Ausführungen, die auf mich auch irgendwie mechanisch wirkten. Vielleicht kann ein Schriftsteller sein Handwerk auch zu gut können und vielleicht geht das Authentische einer Geschichte dadurch etwas verloren? So ähnlich kommt es mir in „Das Glückliche Geheimnis“ vor.
Für mich ein Glück, dass dieser Roman nur 236 Seiten hat und somit recht schnell gelesen war. Für Zwischendurch ganz nett, bekommt man auf den Seiten dieses Buches sicherlich auch Lebensweisheiten mit auf den Weg, die man sich einrahmen könnte und das Cover bringt immerhin etwas Sommeranmutiges mit sich.
Ich kann es verstehen, wenn dieser Roman gefällt, ich kann es verstehen, wenn dieser Roman abgelehnt oder nicht gemocht wird. Ich denke, der Interessierte Leser sollte sich ein eigenes Urteil bilden und „Das Glückliche Geheimnis“ lesen.