Aufklärend, feministisch und mit kleinen Schwächen

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„Das große Gynbuch“ von Prof. Dr. Mandy Mangler ist eine fundierte und feministisch geprägte Einführung in die Gesundheit von Frauen. Es behandelt ein breites Spektrum an Themen, von anatomischen Grundlagen, spezifischen Themen und Phasen im Leben, über gynäkologische Eingriffe, Gesundheit und Krankheit bis hin zu strukturellen Problemen im Gesundheitssystem. Besonders positiv hervorzuheben ist die Offenheit, mit der Frau Prof. Dr. Mangler komplexe Zusammenhänge erklärt und Missstände anspricht.

Das Buch ist klar feministisch geprägt. Frau Prof. Dr. Mangler setzt sich konsequent für die Gleichberechtigung von Frauen ein und beleuchtet kritisch die patriarchalen Strukturen im Gesundheitssystem. Sie verwendet durchgehend das generische Femininum, was in einem Werk über Frauengesundheit grundsätzlich stimmig ist, jedoch an manchen Stellen überzogen wirken kann – etwa bei der Umbenennung von Begriffen wie 'Kaiserschnitt' in 'Kaiserinnenschnitt', was jedoch eher symbolischer Natur zu sein scheint. Gleichzeitig legt sie großen Wert darauf, weibliche Perspektiven und Bedürfnisse sichtbarer zu machen und Ungerechtigkeiten, wie etwa finanzielle Fehlanreize im Gesundheitssystem, aufzuzeigen. Ihr Einsatz für mehr Aufklärung und Gerechtigkeit in der medizinischen Versorgung von Frauen ist ein zentraler Bestandteil des Buches.

Erschreckend fand ich vor allem die Einblicke in die Abrechnungspraktiken von Krankenkassen und Krankenhäusern. So zeigt die Autorin beispielsweise auf, dass bei der Entfernung von Myomen pauschal die gleiche Summe vergütet wird, wodurch Krankenhäuser häufig die komplette Entfernung der Gebärmutter bevorzugen, da diese finanziell lukrativer ist als die aufwändigere, gebärmuttererhaltende Operation. Solche Informationen sind zwar grausig, aber auch immens wertvoll, um als Patientin informierte Entscheidungen treffen zu können und seiner Frauenärztin im entsprechenden Fall die richtigen Fragen stellen zu können. Für diese Art von Aufklärung bin ich der Autorin sehr dankbar.

Bei der wissenschaftlichen Fundierung hätte ich mir an einigen Stellen mehr Präzision gewünscht. So schreibt die Autorin beispielsweise: “Wenn man bedenkt, wie viele Konflikte von Männern ausgehen und dass ihre Aggression bisher nicht klar erforscht ist [...]". Studien aus der Genderforschung, Soziologie und Psychologie bestätigen zwar, dass physische Aggression häufiger von Männern ausgeht, psychische oder indirekte Aggression lässt sich allerdings gleichermaßen bei beiden Geschlechtern finden. Eine differenziertere Darstellung oder konkrete Quellen hätten an dieser Stelle zu einer fundierteren Argumentation und weniger Spaltung zwischen den Geschlechtern beigetragen, wohingegen die Aussage der Autorin so auf mich eher wie eine etwas unpassende persönliche Einschätzung / Meinung wirkte.

Positiv hervorzuheben ist das Kapitel über queere Menschen und Schwangerschaft, das in einem Buch dieser Art erfrischend inklusiv ist. Leider konzentriert sich der Inhalt jedoch vor allem auf gesellschaftliche Stigmatisierung. Für Betroffene wären medizinische Informationen – etwa zu den Auswirkungen von Hormontherapien auf eine Schwangerschaft oder möglichen gesundheitlichen Herausforderungen – sicherlich hilfreicher gewesen. Vielleicht fehlen diese aber auch, da die Studienlage diesbezüglich zu schlecht ist. Dennoch bleibt hier Potenzial ungenutzt.

Ein weiteres Thema, das meiner Meinung nach differenzierter hätte behandelt werden können, ist das Mammographiescreening. Die Autorin führt eine einzige Studie an, die die Wirksamkeit des Screenings unterstreichen soll, doch laut Cochrane Review, das mehrere Studien der letzten Jahrzehnte zusammenfasst, zeigt sich eigentlich ein weniger eindeutiges Bild als im Buch vermittelt wird, denn: Während das Screening statistisch gesehen eine von 2000 Frauen vor dem Tod bewahren kann, werden gleichzeitig zehn gesunde Frauen unnötigen Behandlungen unterzogen. Eine differenziertere Darstellung würde Frauen sicherlich besser helfen, abzuwägen, ob das Screening für sie persönlich sinnvoll ist oder nicht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Das große Gynbuch“ trotz der genannten Schwächen ein wertvolles Sachbuch ist, das wichtige Themen aufgreift und Frauen dazu ermutigt, sich aktiv mit ihrer Gesundheit auseinanderzusetzen. Besonders die Aufklärung über strukturelle Ungerechtigkeiten im Gesundheitssystem ist ein wichtiger Aspekt, der mehr Aufmerksamkeit verdient. Allerdings wirken manche Aussagen zu einseitig und subjektiv, wodurch die Wissenschaftlichkeit stellenweise etwas zu sehr in den Hintergrund rückt. Insgesamt überwiegt für mich dennoch der positive Eindruck, weshalb ich 3,5 Sterne vergebe – aufgerundet auf 4.