ambitioniertes Epos

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Auf der kleinen Pazifikinsel Makatea, Teil der Tuamotu-Inseln Französisch-Polynesiens, leben lediglich 82 Menschen. Die Geschichte der Insel ist stark vom 60-jährigen Phosphatabbau geprägt. Nun plant eine Gruppe von Silicon-Valley-Milliardären den Bau der ersten Seasteading-Stadt in den Gewässern Makateas. Diese Vision einer vermeintlich autarken, nachhaltigen schwimmenden Stadt wirft die Frage auf, ob die kleine Insel erneut zum Spielball multinationaler Interessen wird. Obwohl die Seasteading-Pläne ein wirtschaftliches Revival versprechen, besteht die Gefahr weiterer Umweltzerstörung, da Makatea bereits erheblich vom Klimawandel betroffen ist.

Im Mittelpunkt des Romans stehen facettenreiche Charaktere: ein wohlhabender, unheilbar kranker Softwareentwickler, die künstlerisch begabte Ina, die aus angeschwemmtem Plastik Müllkunstwerke schafft, ihr Ehemann Rafi Young, Sohn eines Schwarzen Bürgerrechtlers sowie Evelyne Beaulieu, eine Pionierin der Meeresforschung und leidenschaftliche Taucherin.

Powers’ ambitioniertes Epos ist ein vielschichtiger Kommentar zum (Techno-)Kapitalismus und den Nachwirkungen des Postkolonialismus. Er beleuchtet Themen wie Profitgier, Macht und anthropogene Umweltzerstörung und thematisiert die Zerrüttung von Freundschaften sowie den schwierigen Versuch der Versöhnung. „Das große Spiel“ stellt in diesem Kontext wichtige Fragen. Powers bietet keine vorgefertigten Lösungen und regt die Leser:innen dazu an, über ihre eigenen Entscheidungen & Wertvorstellungen nachzudenken, während sie selbst zu Spielfiguren auf einem komplexen Spielfeld werden.

Zu Beginn musste ich mich etwas durch die verschiedenen Erzählstränge kämpfen und der Roman enttäuschte mich in einem zentralen Punkt: Die Ideologie des Seasteadings und deren mögliche Auswirkungen auf die Meeresflora und -fauna werden aus meiner Sicht nicht ausreichend behandelt. Stattdessen konfrontiert Powers die Leser:innen mit einer Vielzahl von Perspektiven und viel Hintergrundgeschichte. Obwohl er viele Denkanstöße bietet und die Erkundung des Themas anregt, scheint die Erzählung in ihrer eigenen Komplexität etwas verloren zu gehen.

Die bildreiche Sprache wiederum ist ein großes Highlight; Powers erweckt Ozean und Insel förmlich zum Leben, macht das Setting sinnlich erfahrbar und beeindruckt mit seinem tiefgehenden Wissen über Meereskunde. Trotz kleiner Kritikpunkte und einer gewissen Länge aber ein insgesamt lesenswertes Werk! 3,5 Sterne sind hier leider nicht möglich, aber das wäre wohl meine Bewertung. Übersetzt von Eva Bonné!