Makatea, die Unbekannte

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Meinung
Ich habe das Buch auf Seite 182 abgebrochen, möchte aber jeden interessierten Leser animieren, ins Buch hineinzusehen und es zu lesen, denn es sind eher subjektive Gründe dafür verantwortlich: Powers holt sehr weit aus. Das muss nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. Hier jedoch hatte ich das Gefühl die gleiche Story zum x-ten Mal zu lesen.
Zunächst bekommt der Leser beinahe episch die Insel Makatea zu sehen, erfährt einiges zu ihrer Historie und lernt die Künstlerin Ina Aroita, die aus angeschwemmtem Müll Kunstwerke baut (eigentlich sollten es Naturmaterialien sein, doch die gibt es kaum noch), kennen. Dieser kleine Flecken auf unserem Planeten hat dank seiner reichen Phosphatvorkommen einiges für uns (in Europa) getan. Der Insel kam das nicht immer zugute. Nun steht – wir befinden uns einige Jahre in der Zukunft – eine Entscheidung an, die jeder Inselbewohner mittragen soll.
Dann erscheinen neue Namen. Meeresbiologin Evelyne Beaulieu in etwa. Zu diesem Zeitpunkt bereits über neunzig Jahre alt. Ihr Leben als erste Frau ihres Fachs wird genau und ausführlich geschildert. Sie dient augenscheinlich dem Thema Sexismus, wobei sie zwar Mühe hatte, als Frau an der gewünschten Uni aufgenommen zu werden, dann jedoch viel Zuspruch von männlichen Kollegen erhalten hat, vor allem, als sie denen in nichts nachstand und durch großen Sachverstand glänzte. Ihre Tauchgänge sind äußerst anschaulich beschrieben worden. Dann gibt es Rafi Young und Todd Keane, die sich als Jungen kennenlernen und später in einer Art Hassliebe zueinander stehen. Todd, weiß aus reichem Hause und Rafi schwarz und ärmer. Ihr jeweiliges Elternhaus mit etlichen Schwierigkeiten versehen, sind beide sehr begabt und intelligent. Dass sie zueinander finden und das über Spiele, scheint fast zwangsläufig zu sein. Und genau hier habe ich irgendwann aufgegeben. Das Leben der Jungen ausführlich anzugehen, macht Sinn. Die Themen Rassismus und auch Klassenzugehörigkeit stehen weit im Vordergrund. Aber eben auch so weit, dass es etliches Durchhaltevermögen des Leser benötigt. Irgendwie muss Powers immer noch einen draufsetzen, auch, wenn man längst verstanden hat, was er sagen will. Und die Jungen spielen. Sie spielen sehr viel. Auch das wird sehr ausführlich geschildert … Mitunter scheint es mit der eigentlichen Handlung nicht vorwärts zu gehen. Es wird etwas Besonderes mit den Jungen, später erwachsenen Männern und ihren Spielen auf sich haben, allein, mir ist zuvor die Luft ausgegangen.
Hinzukommt, dass Powers etliche Passagen und Kapitel in kursiv gehalten hat. Das ist durchaus gekonnt eingesetzt und macht Sinn, aber es ist eben auch nicht immer leicht zu lesen, wenn es über mehrere Seiten geht.
Richard Powers hat eine sehr schöne Art zu schreiben, als Leser hängt man an den Zeilen und die Seiten fliegen nur so vorbei. Er hat sich zudem äußerst vertraut mit der Materie gemacht, viel recherchiert – auch seine Figuren. Dass es sich hier um einen Weltklasse-Autor handelt, ist unbestritten. Nur war das alles irgendwie schon da, die hundertste Frau-in-den-Fünfzigerjahren-Story brauchte es für mich dann leider nicht. Anderen Leser mag es anders ergehen. Von mir gibt es dennoch Daumen nach oben.
Es handelt sich um ein griffiges Hardcover mit dickem Umschlag, Lesebändchen und angenehmen Geruch.