Viele Themen verwoben zu einer packenden Story

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mirko Avatar

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Richard Powers zieht mich von der ersten Seite an in seinem Bann. Er schreibt über unterschiedliche Menschen, die in verschiedenen Orten auf unserer Welt leben, zum Teil in extrem abgelegenen, wie der Koralleninsel Makatea mitten im Pazifischen Ozean. Er schreibt aus unterschiedlichen Perspektiven, nutzt dabei teils die erste, teils die dritte Person. Er schreibt von Menschen, die mit ihrer Leidenschaft den Lauf der Welt verändern können. Und das ist von Beginn an faszinierend zu beobachten…
Dabei ist das Wasser, der Ozean immer präsent. Er verwebt die wissenschaftliche und die künstlerische Sicht so gut miteinander, dass man an keiner Stelle zurückgehalten, sondern vielmehr freigelassen wird, sich auf eine Entdeckungsreise zu begeben.
Im Mittelpunkt seiner Erzählung stehen Todd Keanes und Rafi Young. Ihre Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, wobei die Fäden nach und nach immer näher zueinander laufen. Von ihrer frühsten Kindheit bis hin zu ihren letzten Jahren erfährt der Leser alles Wesentliche, was die Freundschaft dieser beiden ausmacht. Dabei ist es interessant zu beobachten, wie das Leben sie aufgrund ihrer ähnlichen Schicksale zueinander führt und sie später wieder auseinander treibt. Dann gibt es die Geschichte von Evie, Die sich bereits als Kind in die Welt der Ozeane, und das Tauchen verliebt. Sie ordnet diesem alles unter, um sich ihrer Leidenschaft grenzenlos hingeben zu können. Und es ist die Geschichte der Inselbewohner von Makatea, die symbolisch für eine Welt von kolonialistischer Ausbeutung stehen.
Powers hat unfassbar viele Themen in das Buch gepackt. Er schreibt über Freundschaft, Liebe, Krankheit, Tod. Aber er schreibt eben auch über Kolonialismus, Klima, die Natur, künstliche Intelligenz. Insbesondere die letzten beiden Themen verdichtet er, indem er den warnenden Zeigefinger hebt, wenn er das sich immer dynamisch entwickelndere digitale Zeitalter und die fortschreitende Zerstörung unseres Planeten unmittelbar gegenüber stellt. Mit welcher Inbrunst er über die unzähligen Rätsel des Ozeans, aber auch über KU spricht, ist faszinierend und lehrreich zugleich. Und wie sich seine Protagonisten in diesem Umfeld bewegen, ist äußerst spannend. Das ist die wahrscheinlich größte Leistung, die er mit seinem neuen Roman vollbracht hat. Viele Autoren wären an der Vielzahl der Themen erstickt. Das passiert hier definitiv nicht. Vielmehr wird man mit der Geschichte vorangetrieben und fragt sich zunehmend, wie er das alles in einem angemessenen Gleichgewicht halten will. Ich finde, dass es ihm gelingt, auch wenn ich mit den letzten 20-30 Seiten einige Probleme hatte. Hier wird der Leser noch einmal aufs äußerste gefordert, mich hat es sogar ein Stück weit überfordert. Ich bin gespannt darauf, wie andere Leser dies beurteilen werden und vor allem, wie sie das Ende interpretieren werden.
Eins noch: „Das große Spiel“ hat mich häufig an „Morgen, morgen und wieder morgen“ von Gabrielle Zevin erinnert. Zum einen liegt das an den Themen rund um die Tech-Industrie, aber auch mit Blick auf die ausgefeilten Charakter-Darstellungen und die Beziehungsgeflechte. In Teilen habe ich eine frappierende Ähnlichkeit erkannt.
Fazit: In wenigen Tagen habe ich mich durch die mehr als 500 Seiten gearbeitet. Der Autor hat mich gefordert, angeregt, neugierig gemacht und mir viele Denkanstöße mitgegeben. Abgesehen von der ein oder anderen Länge zwischendurch gab es im Roman kaum Atempausen. Für die volle Punktzahl reicht es leider nicht, da ein gewisses Störgefühl zurückbleibt. Aber in erster Linie denke ich einen mutigen und herausfordernden Roman gelesen zu haben, der perfekt in unsere Zeit passt.