Spannend und dramatisch, voller historischer Bezüge

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gudrun_4 Avatar

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Zwei Erzählstränge versorgen die Lesenden mit teils wenig bekannten historischen Informationen, einerseits zur Situation 1933 im Graphischen Viertel in Leipzig, andererseits zum Literaturbetrieb 1913 und dem Leben in einem entlegenen Herrenhaus in Livland, auf dem Gebiet des heutigen Estland und Lettland.
Zunächst Leipzig 1933:
Cornelius Frey ist ambitionierter Kriminalkommissar, Gerechtigkeitsfanatiker, weitgehend schmerzresistent, wenn nötig brutal, impulsiv, kein Kommunist, kein Jude und am allerwenigsten Nazi. Wenn allerdings Geld oder Macht oder schlimmstenfalls beides zusammen die Aufklärung von Verbrechen verhindern, dann fühlt er sich herausgefordert.
Dass die aufstrebenden Nazis zunehmend wichtige Posten in der Gesellschaft mit Parteifreunden besetzen und eine unabhängige Polizeiarbeit unmöglich machen, führte zu seiner Entlassung. Er wird in den Dienst zurückgeholt, weil er einen Polizistenmord aufklären soll, diesmal aber mit den von seinen Vorgesetzten gewünschten Ergebnissen.
Alles zusammen bringt ihn in fast ausweglose Situationen, aus denen er jedoch irgendwie immer herauskommt.
Der historische Hintergrund im Jahr 1933 wirkt sehr bedrückend und deutet schon auf die politische Entwicklung im damaligen Deutschland hin: zu Judenverfolgung und drohendem Krieg, unter diesem Gesichtspunkt fand ich den Roman recht interessant.
Der Handlungsstrang 1913 in Livland, von der Leipziger Lektorin Paula in der Ich-Form erzählt, wirkte zunächst ziemlich unmotiviert. Erst als auch hier der Einfluß der Politik zutage trat, ergaben sich Verbindungen. Ich konnte mit den Geistererscheinungen in Hundsheide nichts anfangen, doch zum Schluss fügte sich alles verblüffend logisch ineinander und ließ doch noch ein stimmiges Ganzes entstehen.
Insgesamt spannend und flüssig zu lesen.
Aber so richtig gefallen hat mir der Roman trotzdem nicht, teils zu reißerisch, teils zu unwahrscheinlich, oft viel zu detailliert beschriebene Brutalität. Deshalb keine 5 Sterne.