Mitfiebernde, atemanhaltende Spannung

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
nicky_g Avatar

Von

Leni hat in Hamburg einen Praktikumsplatz in einem Verlag ergattert. Weil dieser nicht bezahlt wird, hat sie sich eine günstige Unterkunft über ein Onlineportal gebucht, das Zimmer in Privatunterkünften vermittelt. Direkt an ihrem ersten Tag lernt sie Vivien kennen, die ebenfalls dort wohnt. Die beiden freunden sich an, dann aber verschwindet Vivien spurlos. Leni macht sich auf die Suche nach ihr und ahnt nicht, wie gefährlich es für sie wird.

Schon der Auftakt ist äußerst spannend: Oliver, ein Krankenpfleger, beobachtet in einem alten Kastenwagen eine blutige Hand, die am Fenster hinuntergleitet und wird kurz darauf bei der Verfolgung in einen Unfall verwickelt. Bevor er sich aus seinem Auto befreien kann, wird er erschossen. Dafür, dass es sich nur um eine kleine Nebenrolle handelt, erfährt man viel über den Charakter.

Die Wechsel zwischen den Kapiteln sind rasant, innerhalb weniger Seiten passiert sehr viel. Dadurch bauen sich Fragen auf und große Erwartungen werden geweckt. Nach und nach kristallisiert sich eine Struktur heraus.

Mit jedem Kapitel kommen neue Figuren ins Spiel, die einen komplexen Kosmos bilden. Sie haben Fehler, Ecken und Kanten, sind nicht durchgestylt, sondern solide, was zusätzlich gruselig wirkt, da das Böse überall lauern kann.

Der Leser fiebert mit, hält den Atem an und dann: Szenenwechsel! Weil damit auch oft die Sichtweise der Figuren geändert wird, erlebt man die Geschichte intensiver und kann sich besser in die einzelnen Charaktere hineinversetzen, hat das Gefühl, direkt daneben zu stehen.

Die Atmosphäre ist bedrückend, unbarmherzig wird die Erzählung vorangetrieben. Antworten gibt es erst mal nur wenige.

Leider schleichen sich im letzten Drittel ein paar Flüchtigkeitsfehler ein, z. B. werden auf S. 222 die Nummern durcheinandergeworfen (eigentlich immer Nummer sieben, auf einmal Nummer sechs), und auf S. 289 heißt „In seinem Griff stieg sie die vier Stunden zur Haustür hinauf…“. Das stört den Lesefluss, vor allem wenn es lösungsorientiert sein soll wie auf S. 353 bei der Angabe der Ankunftsuhrzeit („Genau, mit Ankunft um 22.54 Uhr in Hamburg. Ich bin dann gleich zu Hendrik gefahren.“ „Wann waren sie (!) beim ihm? Ungefähr?“ „Halb elf?“). Auch in den letzten Szenen hat sich eine Unstimmigkeit eingeschlichen, die aus Spoiler-Gründen nicht genannt werden kann.

Dennoch ist es ein spannungsgeladener Pageturner, der für abgekaute Fingernägel sorgt.