Die Türen der Seele

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hurmelchen Avatar

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Tan Twan Eng, der gelernte Jurist aus Malaysia, der mittlerweile als Schriftsteller arbeitet, hat mit „Das Haus der Türen“ seinen dritten Roman vorgelegt, und war für diesen, wie schon mit seinen ersten Büchern, auf der Longlist des Booker Preises.
Dass er mit dem vorliegenden Buch nicht auf die Shortlist des Booker 2023 stand, ist schlichtweg nicht zu verstehen, denn dieses Buch ist ein Meisterwerk!
Die Schönheit von Engs Prosa ist atemberaubend und umhüllt den Lesenden, wie ein hochwertiger Kaschmirpullover. Als LeserIn gibt man sich dem Rhythmus hin, wie ein Schwimmer den Wellen des Ozeans.
Dieses Buch ist von einer stillen, bezwingenden Atmosphäre getragen, der man sich beim Lesen komplett hingeben kann.
Im Penang des Jahres 1921 trifft der berühmte Autor William Somerset Maugham mit seinem Sekretär und Geliebten Gerald bei seinem alten Freund Robert Hamlyn und dessen Ehefrau Lesley zu Besuch ein. Im Laufe der gemeinsam verbrachten Wochen im Haus der Hamlyns lernt Lesley Willie Maugham immer besser kennen, und beide vertrauen sich bei langen Gesprächen ihre Geheimnisse an, welche für beide ein Ende ihres gesellschaftlichen Lebens bedeuten würden, kämen diese ans Licht. Doch nicht nur Lesley und Willie verschleiern etwas. Alle Protagonisten in diesem begeisternden Roman tragen Verletzungen, Geheimnisse und Schuld mit sich herum.
Was das Buch zu einem literarischen Genuss macht, sind nicht nur die gründliche Recherche zur chinesisch/ malayischen Geschichte, oder die sinnlichen Beschreibungen der Natur, es ist vor allem die Wahl, William Somerset Maugham zur Hauptfigur dieser Geschichte zu machen. Maugham, ein einstmals weltberühmter Schriftsteller, ist heute nicht mehr zu vielen Lesern und Leserinnen bekannt, und das sollte sich schleunigst ändern. Dass Maugham in seinen Romanen immer auch Gesellschaftskritik geübt hat, dass er den gesellschaftlich unterdrückten Menschen, wie den Frauen des frühen 20. Jahrhunderts, die sich ihren Männern ergeben mussten, eine Stimme gegeben hat, das wird in diesem Roman sehr klar.
Nicht zuletzt ist „Das Haus der Türen“ eine zarte Liebesgeschichte. Alle Figuren lieben im Stillen, Männer wie Frauen leiden an der Liebe und verschließen die Türen ihrer Seelen. Das Haus der Türen steht stellvertretend für das Öffnen dieser Türen, für die Luft und die Durchlässigkeit, für das Zulassen von Gefühlen.
Es ist schwer vorstellbar, dass es in dieser Saison einen schöneren Roman geben kann. Ich jedenfalls habe mich vom Malaysia der 1920 er Jahre verzaubern lassen, will unbedingt das Werk von Somerset Maugham lesen, und bin neugierig geworden auf die Geschichte Chinas.