Gekonnt aufbereitetes Familienepos

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Der Roman beginnt, wie ein man es von einem Liebesroman erwartet: Eine Autopanne zwingt den aufstrebenden Unternehmer Richard Finborough zu einem Aufenthalt in einem kleinen Küstenort. Dort begegnet ihm die verschlossene Isabel Zeale. Richard ist fasziniert und versucht, mit der geheimnisvollen Schönheit in Kontakt zu kommen. Doch Isabel will zunächst nichts von ihm wissen. Erst nach und nach gelingt es dem jungen Mann, Isabels Widerstand zu brechen und ihr Herz zu gewinnen.
Wer nun glaubt, damit sei die Geschichte um die Finboroughs erzählt, irrt. Denn nun zeigt die Autorin Judith Lennox, die für ihre Generationen umfassenden Familien-Geschichten bekannt ist, ihre wahre Stärke. Zwar lässt sie das Paar zueinander finden, doch Isabel hütet ein dunkles Geheimnis, das sie nie richtig frei sein lässt. Selbst als die drei Kinder des Paares älter werden und beginnen, eigene Wege zu gehen, fürchtet sich Isabel davor, Richard zu verlieren, sollte er ihr Geheimnis je aufdecken.

Judith Lennox lässt es nicht dabei bewenden, den Lesern eine nette Geschichte zu präsentieren. Sie lässt ihre Protagonisten langsam Formen entwickeln und versäumt es dabei nicht, die Leser dicht einzubinden und zu einem Teil des Geschehens zu machen. Kaum jemand kann sich der intensiven Szenen im Schützengraben entziehen, die weniger auf Effekthascherei denn auf menschliches Grauen, wie der Krieg es tausendfach hervorbrachte, setzen. Richard Finborough kommt mit einem veränderten Charakter aus dem Krieg zurück und muss nach und nach erleben, wie seine Familie ihm aus den Händen gleitet. Lange Zeit versucht er dies zu verleugnen und Kindern wie Ehefrau seinen Stempel aufzudrücken. Doch je mehr er sich bemüht, desto deutlicher wird der Bruch. Die Abläufe sind so gut nachvollziehbar und so nah, dass der Leser oft gerne eingreifen und dem Manne raten möchte.

Obwohl sich die einzelnen Protagonisten nach und nach einem eigenen Leben zuwenden und dort Schmerz und Freude erfahren, bleiben die einzelnen Handlungsstränge dicht miteinander verwoben. Judith Lennox erlaubt sich keinen Ausreisser. Sie verfolgt kontinuierlich das Ziel, eine Familien-Saga zu präsentieren, die bei näherem Hinsehen mit einer Vielzahl von fein geschliffenen Facetten aufwarten kann. Es braucht allerdings Ausdauer und die Bereitschaft, sich ganz auf den Roman einzulassen, um die wirklich schönen Feinheiten von Das Haus in den Wolken zu erkennen. Wer eine leichte Lektüre sucht, sollte die Hände von diesem Buch lassen. Durch die Nähe zu den Protagonisten wird deren Schrecken erlebbar und kann durchaus noch länger beschäftigen.

Mit Das Haus in den Wolken ist Judith Lennox ihrem Stil treu geblieben. Wer mit ihren bisherigen Werken nicht warm geworden ist, wird auch hier kaum einen Ansatz finden. Wer aber bereit ist, sich einer neuen Lennox-Geschichte zu öffnen, kommt voll auf seine Kosten. Bemerkbar macht sich hier auch die professionelle Sprache einer versierten Autorin. Hier wäre ein wenig mehr Spritzigkeit aber durchaus wünschenswert. Ansonsten wird sich die Autorin wohl bald ein etwas angestaubtes Image verpasst haben.

Grundsätzlich geeignet ist Das Haus in den Wolken für all jene Leserinnen und Leser, die die Zeit um das frühe 20. Jahrhundert mögen und sich gerne auf längere Familien-Geschichten einlassen. Die Hände vom Werk lassen sollte, wer mit dem Begriff „Historischer Roman“ ein gewisses Mass an „Action“ verbindet. Diesen Wunsch kann Judith Lennox mit dem vorliegenden Roman nicht erfüllen.