Ein Roman, der mich nicht berührte

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
heinoko Avatar

Von


Eine Rezension zu diesem Buch zu schreiben, fällt mir schwer. Denn ich habe mir beim Lesen keinerlei Notizen gemacht wie sonst, Notizen, die mir üblicherweise das Formulieren der Rezension erleichtern. Ich habe nur gelesen und gelesen, das Erzählte lief wie ein Film vorbei. Und am Ende des Buches hatte ich nichts notiert, das mir aufgefallen wäre, nichts, das mich bewegt hätte. Buch zu, Geschichte vorbei. Zurück bleibt nichts.
Einzig der Prolog hatte mich gefesselt. Der 9-jährige Tom erlebt, wie der Vater die Mutter erschlägt und sich anschließend selbst tötet. Hier schlüpft die Autorin ganz in Tom hinein und sieht durch seine Augen das Entsetzliche. Doch diese Eindringlichkeit des Buchbeginns erreicht sie nachfolgend an keiner Stelle des Buches wieder. Tom ist schwer traumatisiert und spricht nicht mehr. Er kommt zunächst zu seiner Tante Sonya, die in ihrem Perfektionismus und ihrer Unerfahrenheit im Umgang mit Kindern trotz allen Bemühens daran scheitert, einen Zugang zu Tom zu finden. Tom zieht um in die Claremont Street zu Tante Rose, einer chaotisch-unstrukturierten, aber liebenswerten Frau. Dort lebt auch Onkel Will, der Weltenbummler, der irgendwie nie erwachsen wurde.
Wiebke von Carolsfeld beschreibt detailreich, keine Frage. Man bekommt als Leser eine klare Vorstellung von den sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, von deren sehr unterschiedlichen Denk- und Sichtweisen. Und man sieht deutlich den ewig verstopften Küchenabfluss im Haus von Rose vor sich oder die glänzend sauberen Böden im Haus von Sonya. Man kann sich auf intellektueller Ebene durchaus die Intention der Autorin vorstellen, die davon berichten will, wie ein traumatisiertes Kind und die damit verbundenen Herausforderungen die Einzelpersonen, die einander irgendwie fremd waren, letztlich zu einer Familie mit gegenseitiger Akzeptanz, vielleicht sogar mit Liebe zusammenfügt. Aber eben nur auf intellektueller Ebene. Emotional berührte mich das Buch nicht, abgesehen vom Prolog. Ich sah den handelnden Personen nur von außen zu, empfand nicht mit ihnen. Sie blieben blass, und dass sich das Trauma von Tom von jetzt auf gleich auflöst, wirkt unglaubwürdig. Vielleicht liegen die eigentlichen Stärken der Autorin doch eher im Bereich Drehbuch-Schreiben bzw. Filmregie…