Einfühlsamer und umsichtiger kleiner Ratgeber

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aoibheann Avatar

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Ein sehr heikles und sensibles Thema, welches die Autorin mit ihrem Buch anspricht. Denn an diesem Punkt prallen nicht nur gesellschaftliche Vorstellungne, sondern auch Erwartungen unterschiedlicher Generationen aufeinander. Spannungsgeladenes Konfliktpotential also.
Die Autorin beschreibt in ihrem Buch ihren ganz persönlichen Weg des Loslassens, des Erinnerns und Ausräumens. Denn wenn ein Lebenswerk "abgewickelt" wird, wird man mit jeder Menge Dinge konfrontiert. Dabei beleuchtet Ursula Ott jeden "Raum" ihres Elternhauses, den es ausfzuräumen gilt, ganz genau und unter ganz eigenen Gesichtspunkten. Als selbst zu den geburtenstarken Jahrgängen gehörend, bestanden ihre früheren Jahre aus einem Spagat zwischen Tradition und Aufbruch in neue gesellschaftliche Gefilde. Junge Frauen sollten einerseits eine gute Hausfrau sein und andererseits aber auch eine vorzeigbare Karriere hinlegen. Eine wahre Herkules-Aufgabe, die sicherlich so manche Frau dieser Generation überfordert haben dürfte.
Systematisch beleuchtet Ott alte Erziehungsmuster und auch das Konsumverhalten ihrer Elterngeneration. Welchen Zweck erfüllte z.B. ein 18 teiliges Bowle-Set, das doch nur die meiste Zeit in der Vitrinte ihr Dasein fristet? Dabei verknüpft sie ihre persönlichen Erinnerungen mit Aussagen und Theorien von Psychologen und liefert am Ende des Buches eine sehr interessante Lektüreliste.

Auch begleitet der Leser die Autorin und ihre Familie ein Jahr lang selbst beim Ausräumen ihres Elternhauses. Sie schildert die Abläufe emotional, aber nicht überladen. Sie lässt ihrer Traurigkeit und ihrer Sentimentalität freien Lauf, ebenso ihren Sorgen und Ängste um die Mutter nach dem Umzug und auch - was mir persönlich sehr gefallen hat - ihrem Ärger über gutgemeinte Plattitüden, die letztlich nur den Nachkommen ein schlechtes Gewissen machen sollen. Ich empfinde sie dabei als sehr authentisch.

"Das Haus meiner Eltern hat viele Räume" ist ein sehr ehrlicher kleiner Ratgeber, der einem zwar nicht die Entscheidungen abnehmen kann; aber doch zumindest ein wenig Licht in das emotionale Chaos bringen kann. Mit klugen Hinweisen weist Ursula Ott auf schwierige Klippen hin und nimmt die Betroffenen damit auch ein Stück weit an die Hand. Sie vermittelt sehr einfühlsam: "Es ist machbar, auch wenn es zunächst unmöglich erscheint."