Rückkehr nach Osten Ard

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Inhalt:

Der Krieg ist zu Ende. Nach der großen Schlacht am Engelsturm kehren die Soldaten in ihre Heimat zurück. Nur vereinzelt ziehen noch verstreute Truppen der Nornen durch die Lande. Auf dem Rückweg nach Rimmersgard nimmt Herzog Isgrimnur mit seinen Männern die Verfolgung einer Gruppe von Wolkenkindern auf, die den Leichnam eines gefallenen Kriegshelden zurück nach Nakkiga bringen, wo die Nornenkönigin Utuk'ku in einem todesähnlichen Schlaf liegt. An Isgrimnurs Seite stehen viele tapfere Soldaten. Auch wenn diese des Kriegs überdrüssig sind, mobilisieren sie ein letztes Mal ihre Kräfte und ziehen gen Norden, um die Nornen endgültig vernichtend zu schlagen.

Mein Eindruck:

Mittlerweile ist es knapp 30 Jahre her, seit Tad Williams seine Leser mit „Das Geheimnis der großen Schwerter“ das erste Mal nach Osten Ard geführt hat. Auch ich kenne und liebe die Bücher, sodass es natürlich außer Frage stand, dass ich auch den Zwischenteil „Das Herz der verlorenen Dinge“ lesen würde.

Im hinteren Teil des Buchs findet sich umfangreiches Zusatzmaterial, wie beispielsweise eine Abhandlung über die Sithi und die Nornen sowie ein Glossar mit den wichtigsten Orten, Begriffen und anderen bedeutenden Dingen, die besonders Neulingen den Einstieg in die Welt von Osten Ard erleichtern können. Auch ein Personenverzeichnis gesellt sich dazu. Wer sich mit der Geografie des Landes vertraut machen möchte, findet im Zusatzmaterial zwei detaillierte Landkarten.

Anders als in der ursprünglichen Osten Ard-Reihe gibt Tad Williams nun auch den Nornen mit Viyeki vom Clan der Bauleute ein Gesicht. Denn auch die Weißfüchse haben eine eigene Geschichte und leben unter dem strengen Regiment ihrer Königin Utuk'ku zusammen. Sie bekommen erstmals Schattierungen, sodass sie nicht länger die kalten Wesen sind, die das Geschlecht der Menschen um jeden Preis ausrotten wollen. Abwechselnd gewährt Tad Williams uns einen Blick ins Lager der Feinde, bevor wieder zu Herzog Isgrimnurs Trupp zurückgeschwenkt wird, wo der Herzog selbst, aber auch ein einfacher Soldat namens Porto die Geschehnisse schildern. Durchbrochen wird diese Struktur lediglich von den Berichterstattungen einer Chronistin der Nornen, die einzelne Passagen und Kriegszüge kurz zusammenfasst.

„Das Herz der verlorenen Dinge“ umfasst also lediglich einen einzigen Handlungsstrang, der aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird. Etwas ungewöhnlich für High Fantasy, aber für die Länge des Buchs durchaus angemessen und passend. Durch die verschiedenen Sichtweisen wird nicht nur eine einzige Seite des Kriegs beleuchtet. Die Menschen sind nicht die glorreichen Helden, sondern müde und ausgelaugt von den vielen Schlachten. Ihre Niedergeschlagenheit lässt sich mit Händen greifen und eine Schwere liegt über der gesamten Szenerie. Auch die Nornen sind des Leids überdrüssig und sehen sich doch dazu gezwungen, ein letztes Mal gegen die Menschen aufzumarschieren, um das Überleben ihres Volkes zu sichern. Und auch dieses Mal hat sich Tad Williams wieder einiges einfallen lassen, sodass die einzelnen Scharmützel noch immer mit Überraschungen aufwarten können.

Sprachlich ist das neueste Werk von Tad Williams wieder einmal überaus gelungen. Routiniert und voller Liebe zum Detail lässt er die Welt von Osten Ard ein weiteres Mal lebendig werden. Die Beschreibungen sind gewohnt vielschichtig und alle Charaktere gut durchdacht. Absolut überzeugend. Auch inhaltlich gesehen packend. Und dennoch hat mir etwas gefehlt. Ich bin ein kleines bisschen enttäuscht, da ich mich schon auf ein Wiedersehen mit Simon, Miriamel und Binabik gefreut hatte, die leider in dieser, verglichen mit den anderen Büchern, doch recht kurzen Geschichte nur am Rande vorkommen. Natürlich ist „Das Herz der verlorenen Dinge“ nur der Übergang zwischen der alten und der neuen Reihe und wie eine Leseprobe verrät, können wir uns zumindest in der neuen Reihe auf ein Wiedersehen mit dem jungen Königspaar freuen.

Für Fans der Reihe ist das Buch sicherlich interessant, auch wenn die Geschichte eher wie ein Zwischenspiel anmutet und sicherlich schon jetzt die Vorfreude auf die neue Osten Ard-Trilogie schüren soll, die im September 2017 erscheint. Neulingen in der Welt von Osten Ard kann ich allerdings empfehlen, mit den regulären Büchern zu beginnen, die deutlich umfangreicher sind. Tad Williams hat unzählige Seiten darauf verwendet, seine fantastische Welt aufzubauen und ihren Bewohnern Leben einzuhauchen. Vieles davon geht natürlich verloren, wenn man mit „Das Herz der verlorenen Dinge“ einsteigt und auch die vielen außergewöhnlichen Namen erschweren den Einstieg sicherlich noch zusätzlich. Die originale Tetralogie wird übrigens dieses Jahr als broschierte Ausgabe neu von Klett Cotta aufgelegt und ich finde die neuen Coverdesigns wirklich toll 😍 Wer also Lust auf wirklich überzeugende High Fantasy hat, der sollte demnächst auf jeden Fall zu einem Buch von Tad Williams greifen!