Das Herz ihrer Tochter von Jodi Picoult

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tom500 Avatar

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June hat es nicht leicht im Leben. Ihr erster Mann starb bei einem Autounfall, während sie und ihre gemeinsame Tochter Elisabeth wie durch ein Wunder überlebten. Der Polizist Kurt Nealon, der ihr nach dem Tod ihres ersten Mannes geholfen hatte wird ein fester bestandteil ihres Lebens. Sie verlieben sich in einandern, Elisabeth himmelt ihren neuen Daddy an und June erwartet ihr zweites Kind von ihm. Doch auch diese Idylle wird jäh zerstört, als Shay, ungebildet und ein gesellschaftlicher Aussenseiter, in ihr Haus eindringt und Kurt und Elisabeth tötet. Shay wird gefasst und durch eine Geschworenenjury zum Tode verurteilt.
11 Jahre später....
Claire, Junes zweite Tochter geht es nicht gut. Schon kurze Zeit nach ihrer Geburt wurde bei Claire ein schweres Herzleiden diagnostiziert. Sie kann nur noch durch eine Herztransplantation gerettet werden. Doch June kann es nicht glauben, wer als einzigster ein passendes Herz für Claire hat.... es ist Shay Bournes, der Mann, der ihr Kurt, Elisabeth und auch ein Stück von sich selbst geraubt hat als er 11 Jahre zuvor den Doppelmord begangen hat.  Shay möchte ihr nach seiner Hinrichtung sein Herz schenken, eine Art von Wiedergutmachung. Während June mit sich selbst und mit Claire um eine Entscheidung ringt, ob sie das Herz überhaupt annehmen wollen oder nicht, kämpft Shay vor Gericht darum, seine Hinrichtung durch eine tödliche Injektion in eine Hinrichtung durch Erhängen zu ändern.Letzteres würde ihm nämlich die Chance geben, seine Organe zu spenden, während bei dem Tod durch die Spritze seine Organe nutzlos werden würden.  Bei seinem Kampf steht er jedoch nicht alleine da. Auf seiner Seite steht auch die ACLU Anwältin Maggie, deren eigentliches Ziel es ist, die Todesstrafe generell zu verbieten und die Shay am Anfang eher als Mittel zum Zweck benutzt.
Und da wäre noch der junge katholische Pfarrer Michael, der nicht nur Shays Seelsorger ist, sondern vor 11 Jahren auch ein Mitglied der Jury war, die Shay zum Tode verurteilt hat, was aber weder der Sträfling noch seine Anwältin wissen.
Während auf unterschiedlichen Ebenen schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden müssen, kommt es im Hochsicherheitstrakt, in dem Shay inhaftiert ist zu verschiedenen Wundern. Aus dem Leitungswasser wird plötzlich Wein. Ein toter Vogel wird wieder zum Leben erweckt. Ein Aidserkrankter wird wieder geheilt. Ein kleines Stück Kaugummi reicht für die Insassen des gesamten Block I. Alles vermeindliche Wunder, die an Jesus erinnern. Und solche Wunder bleiben natürlich von den Medien nicht unentdeckt. Es gibt Menschenversammlungen gegen und für Shay vor dem Gefängnis. Alle Arten von "Experten" äussern sich vor laufender Kamera. Trotz einiger Barikaden, die Maggie, Michael und Shay nehmen müssen, kommt es zur Gerichtsverhandlung um die Änderung der Hinrichtungsart. Wird Shay sein Herz spenden dürfen?

In typischem Picoult Stil wird die Geschichte aus verschiedenen Sichtweisen der Beteiligten erzählt. Man erfährt von June, wie schwer es für sie war, nicht nur ihren ersten Mann so plötzlich zu verlieren, sondern auch ihren zweiten Mann und ihre Tochter hergeben zu müssen. Und man erlebt mit, wie sie mit sich ringt, ob sie nun Shays Herz für ihre Tochter annehmen soll oder nicht. Will eine Mutter, dass ihre einzigste Tochter, ihr einzigster Halt auf Erden mit dem Herzen eines Mörders rumläuft? Und wie reagiert Claire, wenn sie erfährt, von wem das Herz kommt? Der Leser bekommt aber auch einen guten Einblick für die andere Seite. Für Shay. Was muss passieren, das ein junger Mann zu solch einer Tat im Stande ist? Was bewegt ihn, sein Herz ausgerechnet Claire schenken zu wollen? Wie denkt er über die angeblichen Wunder, die um ihn herum passiert sind? Doch auch Maggie und Michael haben so ihr Päckchen zu tragen, das hier sehr eindringlich geschildert wird. So hardert MIichael mit seinem Glauben. Kann es sein, dass der Geist Jesus in den Körper eines Mörders gewandert ist? Und wenn ja, was bedeutet das für ihn, für Michael, für die Kirche und die Religion? An einigen Stellen ist die Geschichte sehr religionslastig. Es wird nicht nur darüber diskutiert, ob die Todesstrafe ethisch korrekt ist, sondern auch, ob Shay der neue Jesus sein kann. Wie steht die Kirche zu dem ganzen? Zur Todesstrafe, zur Wiedergutmachung, zu den Wundern aus dem Gefängnis?
Der Text ist flüssig geschrieben, man kommt gut durch die Geschichte, wenn auch hier und da zu ein wenig zu viel die Religion in den Vordergrund gestellt wurde. Auch die verschiedenen Wunder, die Shay angeblich bewirkt haben sollen waren hier und da ein wenig "too much", wenngleich die Wunder am Schluss auf eine gute Art erklärt wurden.