Entscheidung in der Todeszelle

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matheelfe Avatar

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Es ist das Jahr 1996. Shay Bourne wird zum Tode verurteilt, weil er Elisabeth und Kurt Nealon getötet hat. June trauert um Mann und Kind. Zu den Geschworenen gehört Michael, Student der Mathematik. Die Entscheidung über Leben und Tod fällt ihm schwer. Als letzter stimmt er der Todesstrafe zu, weil es die Gleichung so ergibt.
Mittlerweile sind 11 Jahre vergangen. Shay Bourne sitzt nach wie vor in der Todeszelle. Und er hat einen letzten Wunsch. Er möchte sein Herz Claire spenden. Claire ist die Tochter von June und Kurt Nealon. Sie hat einen Herzfehler und nur noch kurze Zeit zu leben, wenn sich kein Spenderherz findet.
Was nun passiert, wird aus der Sicht von vier Personen erzählt.
Lucius ist Gefängnisinsasse und an Aids im Endstadium erkrankt.  Er wurde verurteilt, weil er seinen Lebensgefährten tötete. Lucius beschreibt die Vorgänge im Gefängnis. Als Leser erlebt man erschütternde Szenen von Gewalt und Hass. Die Beschreibung der Zustände im Gefängnis lassen einen nicht kalt. Von Menschenwürde kann da keine Rede mehr sein.
Michael ist kein Mathematiker geworden, sondern Priester. Seine Entscheidung für die Todesstrafe hat seinen Lebensweg stark beeinflusst.  Er  wird jetzt der Seelsorger von Shay und plötzlich mit gnostischen Evangelien konfrontiert. Das sind Evangelien, die nie Eingang in die Kirche gefunden haben. Diesen Teil des Buches fand ich etwas langatmig und zu theorielastig. Hier wäre weniger mehr gewesen. Allerdings hat die Autorin gut herausgearbeitet, wie leicht Menschen zu manipulieren sind. Wer heute noch gelobt und bewundert wird, wird morgen verteufelt.
Maggie ist Jüdin und Anwältin. Sie arbeitet bei einer Vereinigung, die die Todesstrafe ablehnt. Sie bietet sich Shay als Anwältin an und erzählt den juristischen Teil der Geschichte. Gleichzeitig erfährt der Leser ihre Lebensgeschichte.
Den schwierigsten Part hat June. Von ihr erfährt man, wie das Leben nach dem Tod von Mann und Kind weiterging. Gleichzeitig muss sie erleben, wie ihre zweite Tochter immer schwächer wurde.  Jedes Mal, wenn Claires Herz aussetzte, wurde sie durch einen Stromschlag wiederbelebt. June machte sich die Entscheidung nicht leicht, das Herz des Mörders anzunehmen. Die Szene, wo Claire ihre Mutter bittet, sie loszulassen und gehen zu lassen, nimmt wohl jeden mit.
Shays Wunsch, sein Herz zu spenden, setzt einen immensen juristischen und medizinischen Apparat in Bewegung. Die Todesspritze macht eine Organspende unmöglich. Also muss um eine andere Todesart gekämpft werden. Außerdem ist zu klären, ob das Herz überhaupt für das Mädchen geeignet ist…
Jodi Picoult hat ein hochemotionales Buch geschrieben. Es ist nicht leicht zu lesen. Das liegt zum einen an den aufgegriffenen Themen, zum anderen an der gefühlsmäßigen Einbeziehung des Lesers. Das Thema „Todesstrafe“ wird sehr konträr diskutiert und ihre Notwendigkeit letztendlich abgelehnt. Die Gespräche zwischen Claire und June sind ergreifend.
Doch es gibt auch einen Teil des Buches, der mir nicht so gefallen hat. Nichts gegen kontroverse religiöse Diskussionen, aber die Wunder und ihre Interpretationen gingen mir zu weit und nahmen zu viel Raum ein. 
Gut fand ich, dass das Geschehen von unterschiedlichen Personen aus ihrer Sicht erzählt wurde. Gleichzeitig wird der Leser mitgenommen in das Privatleben der Erzählenden. Sie alle ändern sich im Laufe des Romans. Am auffälligsten ist das bei Maggie. Auch Shay ist für einige Überraschungen gut…
Das Buch hat noch viele Fassetten, die hier nicht alle aufgezählt werden können. Es lohnt sich, es zu lesen.