Ein Jahr zwischen Verlust und Gewinn

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milena Avatar

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Rachel Khong hat einen sehr berührenden Roman geschrieben, der wahrscheinlich viele Leser begeistert. Ruth hat eine schmerzhafte und nicht wirklich verarbeitete Trennung von Joel hinter sich, der mit der neuen Freundin bereits eine gemeinsame Wohnung bezogen hat und schlussendlich auch noch Vaterfreuden entgegensieht. Ruth hat seinetwegen das College nicht abgeschlossen und steht jetzt mit 30, bald 31, etwas orientierungslos in dem, was ihr Leben ausmacht. Sie arbeitet in einer Sonographieabteilung, pflegt ein paar enge Freundschaften mit netten Frauen und hat den Eindruck, den Anschluss verpasst zu haben. Zu Weihnachten fährt sie daher mal wieder nach Hause. Die Mutter arbeitet als Vertretungslehrerin weiter, obwohl sie eigentlich schon in Rente ist. Der Vater hat aufgrund seiner Demenzerkrankung seinen Lehrauftrag als Geschichtsprofessor verloren und verliert sich zunehmend in die Fänge der Krankheit. Die Mutter bittet Ruth für ein Jahr zu bleiben, um mit ihr gemeinsam den Vater zu umsorgen. Ruth willigt ein und hat fortan eine Situation zwischen Komik und Verzweiflung. Ihre Mutter verfolgt diverse Theorien, insbesondere was die Ernährung betrifft, um den Zustand ihres Mannes zumindest aufzuhalten. Auch Ruth begibt sich auf den Weg und bereitet ständig irgendwelche Mahlzeiten zu, die die Demenz aufhalten sollen. Kreuzblütergemüse zählt hierbei noch zu den harmloseren Genüssen. Diverse Quallenrezepte muten eher abenteuerlich an. Gemeinsam mit seinen ehemaligen Studenten versucht sie ihm ein Stück seines alten Lebens wiederzugeben, indem sie sein Seminar zur kalifornischen Geschichte quasi weiterleben lassen. Der Dekan bekommt aber schnell Wind davon, und das wars dann auch. Ihr Bruder Linus, der anfänglich wegen einer Affäre des Vaters auf Distanz ging, kehrt nach der Trennung von seiner Freundin auch zeitweise in den Schoß der Familie zurück. Gemeinsam zwischen Erinnerungen, neuen Erfahrungen, den Herausforderungen der Krankheit, die es zu meistern gilt, und der Zukunft, die wartet, spielt das Geschehen. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, obwohl es relativ unspektakulär ist und einfach ein Stück amerikanische Familiengeschichte erzählt.