Recall zu Pontius Pilatus

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hennie Avatar

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„Das Jesus-Experiment“ beginnt mit einem dramatischen Prolog und endet versöhnlich mit dem sicheren Verschluss der brisanten Artefakte in den unendlichen Tiefen des Vatikans. Dazwischen läßt Bernd Roßbach seinen Protagonisten Tom Jennings durch Europa hetzen in ständiger Lebensgefahr und nie zur Ruhe kommend.

Alles beginnt damit, dass der Hirnforscher Tom Jennings seine Erkenntnisse zum Thema eines Verfahrens Gedanken in bewegte Bilder umzusetzen präsentiert, sowie seine Weiterentwicklung, Erinnerungen vergangener Leben zum Vorschein zu bringen. Das heißt, dass Erinnerungen vererbt werden können. Es ist eine besondere Zeitreise in die Vergangenheit möglich.
Ich war nach kurzer Zeit gefangen von der Thematik. Mir gefiel zunächst die Darstellung von Tom Jennings als versponnenen, recht naiven Wissenschaftler. Ehe er mal mitbekommt, was seine Entdeckung bedeutet, was er da in Gang gesetzt hat! Im weiteren Verlauf wirkte das nicht mehr glaubhaft. Mit seinem neu entwickelten Verfahren, Recall-Technik genannt, wird er eine autistische Nachfahrin von Pontius Pilatus zurückführen bis zur Kreuzigung Jesus und seiner Auferstehung. Das ist der Auslöser für Vertreter der ältesten Macht der Welt, das unbedingt verhindern zu wollen. Jennings setzt mit dem Erfolg seiner Erfindung eine Maschinerie in Gang, in deren Verlauf viele Menschen den Tod finden werden.

Ein außergewöhnlich bemerkenswertes Thema mit einer genialen Entdeckung, die in dem Thriller die Grundfesten des christlichen Glaubens bedrohte. Was hätte man daraus noch machen können? Auf 396 Textseiten und in neun Kapiteln mit aussagekräftigen Überschriften erlebte ich stattdessen eine verwirrende Jagd durch verschiedene Städte mit minimalistischem Ergebnis, aber mit äußerst blutiger Spur. Bernd Roßbach wäre m. M. nach besser beraten gewesen, der Geschichte mehr Raum zu geben. Das heißt, nicht mehr Seiten in einem Buch, sondern evtl. einen oder zwei Bände mehr zu schreiben. Das wäre auch seiner immensen, umfangreichen Recherchearbeit (Anhänge im Buch) dienlich gewesen.Vieles blieb so auf der Strecke, wurde nur so nebenbei erwähnt (bspw. Jennings und sein Deal mit der CIA), und läuft Gefahr überlesen zu werden. Die Figuren bleiben leider weitgehend zu farblos. Der Hirnforscher Jennings kommt mir vor wie ein introvertierter, egozentrischer Einzelkämpfer, stolpert bereitwillig in jede der bereitgelegten Fallen (Notre Dame) und hat dabei ein unfaßbares Glück immer wieder davonzukommen. Viel zu viele Handlungsstränge, Themen und Fakten (Patentrechtsstreit mit Hoogstraat, Recall-Show, Supershow um das wirkliche Antlitz Jesu u. s. w.), Orte, Personen, wie aufgesetzt wirkende Dialoge schaden dem Gesamteindruck des Werkes.

Fazit:
Mit dem Satz auf S. 355 läutet der Autor ein tolerantes Ende ein, um den christlichen Frieden zu wahren.

„Seine Botschaft ist das Wichtigste, nicht die Umstände seines Todes.“

Die Geheimnisse der Jahrhunderte werden im Vatikan weiter gehütet.

Ich bewerte „Das Jesus-Experiment“ mit drei von fünf Sternen und vergebe eine Leseempfehlung für Sci-Fi-Fans.