Falscher Klappentext

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singstar72 Avatar

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Für die Lektüre dieses Buches habe ich ungebührlich lange gebraucht – ganz gegen meine Gewohnheit. Von der reinen Seitenzahl her ist das sicher nicht zu rechtfertigen. Es war eher so, dass das Buch fast vollständig an meinen Erwartungen vorbei ging – und ich keinen der Protagonisten wirklich sympathisch fand, eher das Gegenteil. Nun muss man Romanhelden zwar nicht lieben – aber Charaktere, die derart im Ungefähren und Widersprüchlichen verbleiben, erleichtern die Sache auch nicht gerade. Ich gebe zu – wäre es kein Rezensionsexemplar gewesen, hätte ich es abgebrochen. Weil ich irgendwann nur noch zum Ende kommen wollte.

Noch dazu finde ich, dass der Klappen- und Umschlagtext (bewusst?) falsche Erwartungen schürt. Ich hatte den Eindruck, es handele sich um ein Bergsteigerdrama mit fatalem Ausgang. Doch weit gefehlt. Um das Bergsteigen geht es nur in den allerersten Kapiteln. Danach mutiert die Geschichte zu einem Roadmovie mit offenem Ausgang. Und bekommt im letzten Drittel auch noch eine Lebensbeichte aufgedrückt, die der Gesamtgemengelage nicht gut getan hat. Das Buch lässt sich nicht wirklich klassifizieren. Und in der Mitte hat es arge Längen. All dies hat mir den Lektüregenuss erheblich erschwert. Hinzu kommt, dass das Buch keine Kapitel hat – nur Absätze. Das machte es für mich zäh.

Auf einer Urlaubsreise in Tansania trifft der etwas steife Hans auf den Bayer Tscharli – ausgerechnet am Gipfel des Kilimandscharo. Durch einen Schneesturm bedingt, müssen sich die beiden zusammenraufen. An den Fuß des Berges zurückgekehrt, überredet der vorgeblich schwer kranke Tscharli den Hans, ihn auf einer „letzten Reise“ zu begleiten, die durch diverse Nachbarländer und bis nach Sansibar führt. Am Ende bleibt Tscharli im Krankenhaus, und Hans fliegt heim.

Ich konnte diesen Tscharli leider auf den Tod nicht leiden – inwieweit das vom Autor bewusst geschürt ist, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls ging mir dieser falsche Bayer gründlich auf die Nerven, mit seinen unerträglich platten Zoten, seiner Einstellung zu den Afrikanern (zu den Frauen insbesondere!), seinem Imponiergehabe. Ich habe überhaupt nicht verstanden, warum Hans, der ihn zuerst ebenso wenig mochte, überhaupt mit ihm auf diese Reise geht. Ihn sogar zum Schluss ins Krankenhaus begleitet.

An dieser Widersprüchlichkeit krankt meiner Meinung nach das ganze Buch. Der Autor/ Erzähler nimmt zu den Geschehnissen einfach keine klare Haltung ein. Erst recht nicht will mir einleuchten, warum er dem Tscharli ganz zum Schluss noch seine schmerzhafte Lebensgeschichte erzählt – das hätte ich nur bei einem sehr guten Freund getan. Und ob der Tscharli für ihn einer war, wird nicht wirklich klar.

Erst hinterher fiel mir auf, dass es für das Rezensionsexemplar ein Vorwort gab – worin beschrieben ist, dass das Buch auf wahren Erlebnissen aufbaut. Was die Reisen und die Krankheiten betrifft. Der Tscharli als Person ist wohl hinzuerfunden – und genau das war für mich das Quäntchen zu viel. Dann hätte der Autor meiner Meinung nach lieber einen Reisebericht „seines“ Helden verfasst, und die Beichte mit eingearbeitet, vielleicht in Rückblicken, wie man das heute so macht. So hat sich das Buch leider unnötig gezogen – immer wieder dieselben Szenen, dieselben Kneipen, der Tscharli ordert Bier, flirtet mit den Afrikanerinnen, der Hans schämt sich, und am nächsten Tag alles von vorn.

Dass der Autor Schreibtalent hat, sei unbestritten. Die Sprache zeugt schon von Können – wenngleich gerade im letzten Drittel die „gehobene Grammatik“ oft fehl am Platz war. Mir war der Autor allerdings vorher unbekannt, und ich bin nicht sicher, ob ich ihn weiter kennenlernen möchte. Für mich ein klassischer Fall von „leider nichts für mich“.