Vom Kilimandscharo nach Sansibar

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dajobama Avatar

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Das kann uns keiner nehmen - Matthias Politycki

Eine Männerfreundschaft wider Willen, anfangs mit gewissem Nervfaktor, gegen Ende sehr berührend und schön. Ein Road Trip zweier gescheiterter Existenzen durch ein wildes Afrika, vom Krater des Kilimandscharo durch Tansania bis nach Sansibar.

Auf dem Gipfel, im Krater des Kilimandscharo treffen zwei höchst unterschiedliche Männer aufeinander. In der Nacht tobt ein Schneesturm, die beiden kommen nicht aneinander vorbei. Der zurückhaltende, eher verschlossene Hamburger Hans und „Der Tscharli“, ein lauter extrovertierter bayerisch-Suaheli krakeelender, aufdringlicher Typ.
Zugegebenermaßen hatte insbesondere Der Tscharli etwa die ersten 150 Seiten für mich enormen Nervfaktor. Er verkörpert den klassischen arroganten deutschen Touristen, mit klar erkennbaren rassistischen Ansätzen, der aus irgendeinem Grund bei den meisten Einheimischen trotzdem beliebt ist. Viele seiner Äußerungen sind zum Fremdschämen, manche kaum auszuhalten.
Doch es lohnt sich dranzubleiben, denn gerade diese Figur des Tscharli ist für einige Überraschungen gut. Es ist nicht so, dass er sich im eigentlichen Sinne verändert, vielmehr lässt er Hans zunehmend hinter seine aggressiv fröhliche aufgesetzte Maske sehen. Das fand ich sehr faszinierend, wie sich zwei so unterschiedliche Männer freundschaftlich immer näher kommen, wie sich das langsam entwickelt. Denn auch Hans macht eine enorme Entwicklung durch. Und am Ende hat man sie beide ins Herz geschlossen.

Nun ist es so, dass die beiden, samt jeweiliger afrikanischer Begleiter, bereits auf Seite 40 den Berg wieder verlassen haben. Doch das seltsame Bündnis der beiden geht weiter. Es beginnt eine Reise durch Tansania bis nach Sansibar. Tscharli drängt Hans dazu, ihn auf seiner Fahrt an Stätten der Erinnerung zu begleiten.
Schließlich haben die beiden auch Gemeinsamkeiten. Beide meinen, durch eine schlechte Erfahrung mit einer jeweils großen Liebe in Afrika, eine Rechnung mit dem Kontinent offen zu haben, die sie mit der Besteigung des Kilimandscharo begleichen können. So gibt es etliche Rückblenden in die früheren Leben der beiden Männer, die dem Leser ein immer besseres Bild der Ursachen dafür bieten, dass sie denken, sich am Berg und in Afrika beweisen zu müssen.

Dieser Roman bietet großartige Einblicke in afrikanische Landschaften und Denkweisen. Auch Missstände wie Gesundheitssystem oder Korruption werden zur Sprache gebracht. Gerade der Tscharli bedient dabei aber auch haarsträubende Klischees. Es ist wohl seine Art mit seiner Angst vor dem furchteinflößenden Kontinent umzugehen "Das ist Afrika".

Meiner Meinung nach läuft diese Geschichte Gefahr, ihre Leser bereits im ersten Drittel zu verlieren. Denn erst danach dämmert es einem, dass da noch mehr kommt als nur dummes Geschwätz des Tscharli und dass ebenjener selbst nicht einfach so in eine Schublade passt. Und dann wird diese Geschichte sehr sehr lesenswert.

Dazu kommt die autobiografische Note dieses Buches. Man lese das Vorwort zur Entstehung dieses Buches. Und auch hier kommt der aha-Effekt spät, aber er kommt.

Eine sehr interessante und empfehlenswerte Lektüre, 4 Sterne von mir.