Zwei sehr unterschiedliche Freunde

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petris Avatar

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Hans hat noch eine Rechnung offen mit Afrika. Und die will er im Krater des Kilimandscharo begleichen und dann für immer begraben. Diesen Moment hat er sich oft vorgestellt, immer war er dabei alleine, vielleicht noch sein Bergführer und die Träger in der Nähe. Doch dann steht er am Kraterrand und sieht im Krater einen roten Punkt, jemand anderer ist schon vor ihm im Krater-Lager gelandet. Er wird den Moment nicht für sich alleine haben. Und dann begegnet er diesem Jemand. Der Tscharli, ein Bayer, der nur so mit Floskeln, rassistischen, politisch unkorrekten und platten Proletensätzen um sich wirft. Das hat sich Hans anders vorgestellt. Noch ahnt er nicht, dass dies der Beginn eines gemeinsamen Roadtrips ist, und der Tscharli mehr als nur eine Seite hat.

Das kann uns keiner nehmen ist ein Roman, der mich mit der Leseprobe für sich eingenommen hatte. Ich mochte den Stil des Autors, ihm gelang es mit Leichtigkeit, die Eigenheiten der Charaktere darzustellen und sie lebendig zu machen. Man war von Tscharli genervt, fand Hans typisch norddeutsch und die Bergführer konnte man sich hervorragend vor Augen rufen. Er beschönigte ihre Eigenheiten und Fehler kein bisschen, gleichzeitig wertete er nicht, das taten nur die Figuren auf ihre Weise.

Und so begann die Reise. Und plötzlich merkte man, dass man oft genauer hinsehen muss, ehe man sich ein Urteil bildet. Und auch, wie viele Vorurteile man als „Gutmensch“ hat gegenüber Menschen, die anders sind, wie schnell man mit Urteilen wie „Rechts“, „Prolet“ und „Trampel“ bei der Hand ist. Tscharli ist eine eigene Persönlichkeit, doch in vielen Dingen hat er einfach Recht und in manchen Belangen hat er Afrika viel besser verstanden als der tolerante Hans. So wachsen sie auf dieser erst unerwünschten Reise immer mehr zusammen und Hans beginnt zu begreifen, was Loslassen bedeutet.

Der Tscharli nervte gewaltig, und dennoch mochte man ihn, wenigstens immer wieder. Die Reise war spannend, und man merkt, dass der Autor selbst Afrika-Erfahrung hat. Sehr eindrücklich seine Krankenhauserfahrungen, die er in die Geschichte eingebaut hat. Und auch die Faszination, die dieser Kontinent auf viele Menschen ausübt. Nach einer ersten, traumatischen Reise, die der Figur Hans beinahe das Leben (auch dem Autor) und die Beziehung (dem Autor zum Glück nicht) kostet, kommt er nochmal zurück. Ich wäre wahrscheinlich nie wieder zurückgekommen, aber mich zieht es generell reisetechnisch nicht vorrangig nach Afrika. Aber wer weiß, vielleicht würde ich ja vor Ort auch vom Afrika-Virus gepackt!

Ein Roman voller Klischees, die im selben Atemzug aber entkräftet werden, eine schöne Freundschaftsgeschichte, ein Buch über Toleranz und Vorurteile, ein spannendes Roadmovie, eine gut recherchierte Geschichte, ein Text der unterhält,… Meine Erwartungen wurden erfüllt, gute Unterhaltung mit Tiefgang.