Anders als erwartet …

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linus63 Avatar

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Der mexikanische Drogenbaron Adán Barrera wurde nach einem Deal mit den amerikanischen Behörden in ein mexikanisches Gefängnis verlegt. Kurz darauf gelingt ihm die Flucht. Als der amerikanische Ermittler Art Keller, der ihn hinter Gitter brachte, erfährt, dass Barrera ein Kopfgeld von 2 Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt hat, kehrt er aus seinem Exil zurück und nimmt erneut den Kampf gegen seinen Feind auf.

Ohne den Vorgängerband zu kennen, ist der Einstieg in das Kartell fesselnd und weckt Vorfreude auf einen äußerst düsteren, blutigen und spannenden Thriller. Dem Buch liegen grundsätzlich einige Klischees zugrunde - der integere, vom Leben gezeichnete amerikanische Saubermann in Person von Art Keller gegen den Drogenboss Barrera, der nach seiner Flucht mit Hilfe des korrupten mexikanischen Regierungsapparates nach alter Macht strebt. Doch die Kopfgeldjagd weicht schnell einer informativen Geschichte über den Drogenkrieg in Mexiko. Fast im Plauderton erzählt Don Winslow von den grausamen, brutalen, gnadenlosen und blutigen Machenschaften der Kartelle im Kampf um Macht, Geld und die Vorherrschaft - die Bekämpfung ist eigentlich von Anfang an aussichtslos. Da seiner Fiktion häufig reale Ereignisse zugrunde liegen, scheint die Geschichte recht wirklichkeitsgetreu. Seine Protagonisten werden meist erst über einige Seiten eingeführt, bevor sie zur aktuellen Handlung hinzustoßen, was sie zu greifbaren Individuen macht und die Handlung nochmals realistischer werden lässt.

Ich muss zugeben, dass ich mit diesem Buch nicht warm wurde, es aber auch mit der Erwartungshaltung in die Hand nahm, einen spannenden Thriller vor mir zu haben. Die Geschichte ist interessant, informativ und authentisch, zog sich aber durch die detaillierten Schilderungen nahezu spannungsfrei in die Länge. Trotz der wirklich hilfreichen Landkarte im Buchdeckel verlor ich immer mal wieder den Überblick über die verschiedenen Kartelle und die Vielzahl ihrer Angehörigen mit den mir sehr fremden mexikanischen Namen, die darüber hinaus auch schon mal das Lager wechselten. Die Kopfgeldjagd wurde zeitweise einfach ausgesetzt, als sie gerade nicht zu Barreras Strategien passte. Irgendwann schienen sich die Ereignisse zu wiederholen - mit anderen Personen, an anderen Orten und in anderen Konstellationen. Als mir bewusst wurde, dass meine Lesepausen immer länger wurden und ich mehrfach über der Lektüre eingeschlafen war, habe ich das Buch nach gut 400 Seiten abgebrochen, was bei mir so gut wie nie vorkommt. Doch an dieser Thematik fehlt mir in dieser Ausführlichkeit einfach das Interesse. Die Kompromisslosigkeit, die Skrupellosigkeit und die Brutalität, mit der die Kartelle zur Durchsetzung ihrer Interessen vorgehen, waren bis dahin ebenso bei mir angekommen wie die Erkenntnis, dass die Bekämpfung aussichtslos ist, und ich erwartete auf den noch kommenden 400 Seiten keine wirkliche Veränderung im Ablauf der Handlung.

„Das Kartell“ ist ein informatives und gut recherchiertes Buch über die Kämpfe der Drogenkartelle in Mexiko, in dem Fiktion und Realität nahe beieinander liegen. Wer gerne detailliert und umfassend über diese Thematik liest, sollte bei diesem Buch unbedingt zugreifen.