Beeindruckend und sehr real

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sorko Avatar

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Schon die „Tage der Toten“ fand ich sehr bewegend. Spannend geschrieben, aber „nur“ eine fiktive Handlung, ein Roman? Das ist nicht nur ein Roman, das ist ein Tatsachenbericht mit geänderten Namen. Als im September vergangenen Jahres 43 Studenten verschwanden, rückte Mexiko in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Die unselige Verbindung von Drogenbaronen, Politikern, Justiz und Polizei gibt es wirklich. 43 Studenten ermordet – ein Massenmord, aber kein Einzelfall in Mexiko. Das führt uns Don Winslow mit seinen Büchern vor Augen. „Das Kartell“ ist die Fortsetzung von „Tage der Toten“, und es ist noch spannender und noch bedrückender. Ein Werk, das der Autor selbst als fiktiv bezeichnet, aber er bestätigt auch, dass er sich an der Realität orientiert hat. Für uns im „zivilisierten“ Deutschland kaum vorstellbar, was sich da abspielt. Die US-Fahnder bemühen sich, haben aber ihre Schwierigkeiten, in Mexiko etwas zu bewegen. Und manche stehen selbst auf der Gehaltsliste der Drogenkartelle. Art Keller ist einer der wenigen aufrechten US-Agenten, die den Kartellen den Kampf angesagt haben. Ihm ist es gelungen, Adan Barera festzunehmen, den größten Drogenboss Mexikos. Doch Barera kann entkommen, er entzieht sich der Justiz, in deren Apparat die meisten wichtigen Personen korrupt sind. Und er will sein Imperium zurückhaben, das inzwischen andere unter sich aufgeteilt haben. Die Karten im Buchumschlag fand ich sehr hilfreich für den Anfang der Geschichte, doch die Strukturen der Macht verändern sich. Neue, noch brutalere Leute drängen an die Spitze. Sie schrecken vor nichts zurück. Wenn sie einen Landstrich für sich haben wollen, werden die Bewohner dort mit Waffengewalt vertrieben. Wenn sie nicht gehen, werden sie umgebracht. Unbequeme Zeitgenossen werden brutal gefoltert, Menschenleben sind nichts wert. Der Kampf von Keller ist fast aussichtslos, zumal er nicht wissen kann, wem von seinen Kollegen er trauen kann. Zu viele Polizisten, Staatsanwälte, Richter und Politiker stehen auf den Gehaltslisten der Kartelle. Doch damit nicht genug, die Kartelle bekämpfen sich auch gegenseitig, und wenn man nicht auf der „richtigen Seite“ steht, sollte man besser wechseln oder schnell verschwinden. Manchen gelingt das, aber viele werden erwischt und abgeschlachtet.
Ein großes Werk, ich war sehr beeindruckt. Spannend, hart, aber auch nicht ganz ohne einen kleinen Funken der Hoffnung. Und gerade wegen seinem grausamen Bezug zur Realität unbedingt lesenswert. Der beste Thriller, den ich bisher gelesen habe!