Der Mäzen, den die Nazis vergessen wollten

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johannaberger Avatar

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Beinahe wäre die Nofretete im Louvre gelandet…

Stefanie Gerhold erzählt die spannende und zuweilen auch bedrückende Geschichte, warum sie letztendlich einen prominenten Platz in Berlin bekommen hat. Sie rekonstruiert die Ereignisse rund um zwei Protagonisten.
Im Mittelpunkt stehen der jüdische Mäzen James Simon und der Archäologe Ludwig Borchardt. Die Autorin nennt ihre Darstellung Roman, erzählt aber entlang der Historie und der erhaltenen Texte von Borchardt. Nicht nur Grabungsgeschichte wird anschaulich gemacht, auch der Antisemitismus der Berliner Gesellschaft wird deutlich. Der Kaiser unterhält sich gern mit Simon, andererseits macht er aus seinem Judenhass keinen Hehl. Nach dessen Abdankung ist Simon zuversichtlich: „Es wäre doch gelacht, wenn [Menschen jüdischer Herkunft] in dieser neuen Republik keinen besseren Platz besetzen könnten, als nur die Sündenböcke für den verlorenen Krieg abzugeben.“ Falsche Hoffnungen. Aber schließlich hat er Geld und einen Sinn für die Kunst. Da kann man ihn instrumentalisieren.

Aus der Perspektive des begeisterten Sammlers Simon verfolgt man, was Borchardt in Amarna ausgräbt und wie die Funde verteilt werden. Es gab einen „Service des Antiquités“, der darüber entschied, welche Funde dem Inhaber der Grabungserlaubnis (hier James Simon) gehören und welche in Ägypten bleiben sollten. Simon wollte die Archäologie, die noch nicht das Prestige der Bildersammlungen hatte, in den Museen verankern und gründete dazu die deutsche Orientgesellschaft, die seither zu den wichtigen Geldgebern von Ausgrabungen gehört. Die Nofretete wollte er unbedingt haben, nachdem Borchardt sie in Briefen so bewundernd beschrieben hatte. Wie der Archäologie die einzigartige Figur bei der Fundteilung den Händen des „Service“ entzogen hat, ist nicht ganz sicher. Vielleicht hat er sie mit Lehm eingeschmiert, um sie unscheinbarer zu machen, vielleicht hat er den zuständigen Beamten auch abgelenkt. Die Sache war jedenfalls etwas anrüchig und nach dem ersten Weltkrieg wollte man die schöne Königin unbedingt zurück. Viele Querelen folgten.

Gerhold beschränkt sich auf die Perspektive James Simons, der nicht nur als der bedeutendste Mäzen Berlins beschrieben wird. Sie stellt auch sein umfangreiches Wirken für die Verbesserung der sozialen Zustände zu Beginn des neuen Jahrhunderts dar. Pensionskasse, Kinderheime, Badeanstalten.
Die biographischen Lücken (sie nennt die erhaltenen Fakten einen „Scherbenhaufen“) füllt sie mit Erfindung. Die Leser lernen auch den Menschen James Simon kennen. Vielleicht hätte die Fabulierkunst hier noch deutlicher hervortreten können, sodass das Bild etwas bunter geraten wäre.

Ein höchst spannendes Buch für Geschichtsinteressierte, Archäologiebegeisterte und Besucher der Berliner Museen.